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Arbeitsbedingungen für ÄltereFirmen lassen Alte im Stich

Firmen berücksichtigen zu selten die unterschiedlichen Situationen älterer Angestellter, kritisiert die IG Metall. Nur ein Bruchteil der Betriebe bietet Fortbildungen an.

Alter Arbeitnehmer: Heinrich Alt, 62 Jahre alt, arbeitet als Chef bei der Arbeitsagentur. Bild: dapd

BERLIN taz | Fortbildungen, Betriebsrente und ein gleitender Übergang in den Ruhestand: Der Autobauer Daimler und der Elektrohersteller Bosch sind laut IG Metall Vorzeigekonzerne, wenn es um die Unterstützung von älteren Beschäftigten geht. Die Gewerkschaft bemängelt jedoch, dass sich die meisten Unternehmen aber noch zu wenig Gedanken über gute Arbeitsbedingungen für Ältere machen.

Die Arbeitswelt und die Politik seien auf die demografischen Herausforderungen nicht vorbereitet. Das hat eine Befragung unter rund 3.000 Betriebsräten ergeben, die die IG Metall im Rahmen ihrer Kampagne „Gute Arbeit – gut in Rente“ durchführte.

So bieten nur etwa 3 Prozent der Unternehmen für ältere Beschäftigte Fortbildungs- und Qualifizierungskurse an. In den Betrieben seien derzeit nur 3,8 Prozent der Beschäftigen über 60 Jahre alt, ein Prozent sind über 63. Vom Ziel, ältere Beschäftigte stärker in die Arbeitswelt einzubinden, ist man nach Gewerkschaftsangaben noch weit entfernt. „Es gibt einen Unterschied zwischen öffentlicher Debatte und betrieblicher Praxis“, sagt Hans-Jürgen Urban, geschäftsführendes Vorstandsmitglied und Sozialexperte der IG Metall.

Die IG Metall sieht sich durch die Umfrageergebnisse im ihrem Kampf gegen die Rente mit 67 bestätigt. Sie fordert Politik und Wirtschaft auf, einen flexiblen Übergang in den Ruhestand zu ermöglichen, der nicht zu starken Rentenkürzungen und damit zu Altersarmut führe.

„Statt einer Einheitsrente soll auf die unterschiedlichen Situationen der Arbeitnehmer Rücksicht genommen werden, unter anderem durch öffentliche Förderung und gleitende Übergänge“, sagte Urban. Außerdem müssten die Betriebe die Arbeitsbedingungen für ältere Mitarbeiter so verändern, dass diese gesundheitlich die Arbeit bis zum 67. Lebensjahr durchhalten.

Indessen forderte der ehemalige Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement, dass die Deutschen noch länger arbeiten. Wer wolle und könne, solle bis zum 75. oder sogar 80. Lebensjahr arbeiten, sagte der ehemalige SPD-Politiker der Zeitung Die Welt. Die Rente mit 67 hält er angesichts des demografischen Wandels für nicht ausreichend. „Wir sollten ein Signal für längeres Arbeiten setzen“, sagte Clement: „Wir sollten die gesetzliche Lebensarbeitszeitbegrenzung abschaffen.“

Die IG Metall kontert: Unter den derzeitigen Bedingungen über weitere Anhebungen der Regelaltersgrenzen zu spekulieren, sei verantwortungslos, sagte Urban. Von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) fordert Urban mehr Einsatz für altersgerechtes Arbeiten. Betriebe und Gewerkschaften könnten das nicht allein leisten.

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5 Kommentare

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  • M
    Martin

    Wie wäre es denn mal mit einer Quotenregelung?

    Wenn Ursula eine für Frauen fordert, warum auch nicht für mal jemand eine Quote für Ältere?

    Es kann nicht angehen, dass große Konzerne z.B. der Telekommunikationbranche gerade mal 2% der Arbeitnehmer das 55igste Lebensjahr überschritten haben.

    Ja, dass es in den Betrieben legitim ist, sobald einer über 50ig ist, diesem zum Minderleister zu stempeln, egal wie gut die Leistung noch ist, die er erbringt.

    Die Frage auszuklammern, heißt die Interesse von über einem Drittel des Wahlvolks auszuklammern.

  • T
    Thomas

    Mich würde mal interessieren wie es dort aussieht, wo Gewerkschaften selbst als Arbeitgeber auftreten

  • W
    weinnachtsmann

    Da stellt sich die Frage wie weit denn die Pläne zum

    " Sterben mit 108 Jahren " ,die Herr Clement doch auch

    befürwortet,jetzt von ihm ausgearbeitet sind.

  • LC
    lara croft

    Die Gewerkschaften sollten sich auch endlich konsequent für die Abschaffung der menschenverachtenden Hartz-IV-Armutsgesetze einsetzen.

     

    Bis sie das nicht machen, kann man die nicht ernst nehmen.

  • M
    Mike

    Die IG Metall kann es für ihre Mitglieder in ihrer Tarifhoheit umsetzen. Punkt.

     

    Für den Rest ist die Politik zuständig und die konnte sich in den letzten Jahren über eine weitaus nett-begleitende IG Metall freuen. Es gibt die Rente mit 67 und es gibt weniger Arbeitnehmer, die es schaffen, so lange zu arbeiten.

     

    Und die Firmen handeln es vor Ort auch mit der Gewerkschaft aus, wenn es sozialverträgliche Übergänge geben soll.

    Wenn es also nicht klappt, dann klappt es auch bei der Gewerkschaft nicht wirklich.

    P.S. Ich bin dieses Herumstochern leid. Warum müssen intelligente Menschen jeden Tag lancierte Meldungen lesen, die im Kern geradezu lächerlich sind? Einfach mal die Politiker fragen: Was tut der Staat momentan für ältere Arbeitnehmer? Wie sieht es konkret aus?

     

    Und meinetwegen: Warum läuft es vielerorts nicht so gut in der Zuständigkeit der Gewerkschaft IGM? Und dann klare Antworten. Wenn ich normative Diskurse haben will, kann ich Sonntags mich in Kirchen beschallen lassen, seit mehreren Tausend Jahren kämpft dort Gut gegen Böse. Wie's sein soll und wie's wirklich ist, das kann man/frau dort erfahren.