Arbeitsbedingungen für Ältere: Firmen lassen Alte im Stich
Firmen berücksichtigen zu selten die unterschiedlichen Situationen älterer Angestellter, kritisiert die IG Metall. Nur ein Bruchteil der Betriebe bietet Fortbildungen an.
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BERLIN taz | Fortbildungen, Betriebsrente und ein gleitender Übergang in den Ruhestand: Der Autobauer Daimler und der Elektrohersteller Bosch sind laut IG Metall Vorzeigekonzerne, wenn es um die Unterstützung von älteren Beschäftigten geht. Die Gewerkschaft bemängelt jedoch, dass sich die meisten Unternehmen aber noch zu wenig Gedanken über gute Arbeitsbedingungen für Ältere machen.
Die Arbeitswelt und die Politik seien auf die demografischen Herausforderungen nicht vorbereitet. Das hat eine Befragung unter rund 3.000 Betriebsräten ergeben, die die IG Metall im Rahmen ihrer Kampagne „Gute Arbeit – gut in Rente“ durchführte.
So bieten nur etwa 3 Prozent der Unternehmen für ältere Beschäftigte Fortbildungs- und Qualifizierungskurse an. In den Betrieben seien derzeit nur 3,8 Prozent der Beschäftigen über 60 Jahre alt, ein Prozent sind über 63. Vom Ziel, ältere Beschäftigte stärker in die Arbeitswelt einzubinden, ist man nach Gewerkschaftsangaben noch weit entfernt. „Es gibt einen Unterschied zwischen öffentlicher Debatte und betrieblicher Praxis“, sagt Hans-Jürgen Urban, geschäftsführendes Vorstandsmitglied und Sozialexperte der IG Metall.
Die IG Metall sieht sich durch die Umfrageergebnisse im ihrem Kampf gegen die Rente mit 67 bestätigt. Sie fordert Politik und Wirtschaft auf, einen flexiblen Übergang in den Ruhestand zu ermöglichen, der nicht zu starken Rentenkürzungen und damit zu Altersarmut führe.
„Statt einer Einheitsrente soll auf die unterschiedlichen Situationen der Arbeitnehmer Rücksicht genommen werden, unter anderem durch öffentliche Förderung und gleitende Übergänge“, sagte Urban. Außerdem müssten die Betriebe die Arbeitsbedingungen für ältere Mitarbeiter so verändern, dass diese gesundheitlich die Arbeit bis zum 67. Lebensjahr durchhalten.
Indessen forderte der ehemalige Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement, dass die Deutschen noch länger arbeiten. Wer wolle und könne, solle bis zum 75. oder sogar 80. Lebensjahr arbeiten, sagte der ehemalige SPD-Politiker der Zeitung Die Welt. Die Rente mit 67 hält er angesichts des demografischen Wandels für nicht ausreichend. „Wir sollten ein Signal für längeres Arbeiten setzen“, sagte Clement: „Wir sollten die gesetzliche Lebensarbeitszeitbegrenzung abschaffen.“
Die IG Metall kontert: Unter den derzeitigen Bedingungen über weitere Anhebungen der Regelaltersgrenzen zu spekulieren, sei verantwortungslos, sagte Urban. Von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) fordert Urban mehr Einsatz für altersgerechtes Arbeiten. Betriebe und Gewerkschaften könnten das nicht allein leisten.
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