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Arbeitsbedingungen bei PaketzustellernWallraff und Kollegen

80 Paketzusteller haben gegen ihre schwierigen Arbeitsbedingungen demonstriert. Mit dabei: Günter Wallraff, der weitere Proteste verspricht.

Dem Morgenrot entgegen: Günter Wallraff demonstriert um 5 Uhr in der Früh zusammen mit Paketzustellern. Bild: dapd

KOBLENZ dapd | Gemeinsam mit etwa 80 Paketzustellern hat der Günter Wallraff am Montag in Koblenz gegen die Arbeitsbedingungen in deren Branche demonstriert.

Er habe in den vergangenen Wochen Hunderte Elendsberichte und Hilferufe von Fahrern erhalten, sagte Wallraff am Morgen am Rande der Demonstration. Sowohl die Unternehmen als auch die Politik seien gefordert, „dieser Verelendung und Entrechtung ein Ende zu setzen“.

Um 5.00 Uhr hielten die Fahrer vor dem Depot des Deutschen Paketdienstes (DPD) eine Kundgebung ab. Die Paketauslieferer forderten unter anderem, dass die Unternehmen die Beschäftigten künftig selbst anstellen sollten, statt diese an Subunternehmen auszugliedern.

Nicht nur eine einmalige Reportage

Die Firmen dürften sich nicht aus der Verantwortung stehlen, sagte Wallraff. Anfang Juni hatte es bereits Proteste bei dem Paketdienst GLS in Polch (Kreis Mayen-Koblenz) gegeben. Wallraff führte zudem nach eigenen Angaben Gespräche mit Vorständen des Lieferdienstes Hermes.

Wallraff kündigte weitere „kurzfristig anberaumte und überraschende Proteste“ an. Er habe seinen „Kollegen“ gesagt, dass er an dem Thema dran bleibe und es sich nicht um eine einmalige Reportage handle.

Der Journalist hatte selbst ein halbes Jahr lang verdeckt als Paketauslieferer gearbeitet und recherchiert. Seine Ergebnisse veröffentlichte er in einer Fernsehreportage auf RTL und im Zeit Magazin. Darin prangerte er unter anderem Dumpinglöhne von fünf Euro oder weniger sowie skandalöse Arbeitsbedingungen an. So kritisierte er, dass die Beschäftigten zu Arbeitszeiten von 12 bis 15 Stunden ohne Pause gezwungen seien.

Wallraff rief in Koblenz die Fahrer auf, sich trotz des hohen Drucks an gesetzliche Bestimmungen zu halten. Sie sollten vorgeschriebene Pausen und rechtlich zulässige Arbeitszeiten einhalten und die Verkehrsregeln beachten.

Einige Fahrer wollten am Montag Überstunden geltend machen und ihre Lastwagen in den Depots stehen lassen, wie ein Gewerkschaftssprecher auf Anfrage sagte. Die Unternehmen haben nach Wallraffs Angaben Entgegenkommen signalisiert. „Diesen Lippenbekenntnissen müssen nun aber auch Taten folgen“, sagte er.

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5 Kommentare

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  • B
    Budbad

    Zitat von tisu: " dann ist wohl der wettbewerb ein soziales problem, dann ist wohl der freie markt das problem."

     

    So ist es. Unternehmerziel (Gewinnerzielung) und Beschäftigtenziel (Lebensunterhalt zu menschlichen Bedingungen) stehen weitgehend gegeneinander.

    Lässt sich alles nachlesen, z.B. bei Kuddel Marx.

  • T
    tisu

    @lorenz

     

    dann darf ein paketdienst so etwas nicht anbieten -> dann machen es die anderen und er wird aus dem geschäft gedrängt -> dann ist wohl der wettbewerb ein soziales problem, dann ist wohl der freie markt das problem. ist doch klar, dass ein bloßer verbraucher das billigste angebot in anspruch nicht - der unternehmer, der verdient darf gewinn maximieren und der verbraucher nicht?

  • V
    vic

    Günter Wallraff berichtet nicht nur über unhaltbare Zustände, er erlebt sie seit Jahrzehnten. Meine Hochachtung!

    Ebeno wenig wie ich in der Dumpinglohn Branche einkaufe, achte ich auch beim Paketdienst auf faire Bedingungen. Eine Zeit lang dachte ich, die Post-Tochter DHL wären die Guten. Doch bei nahezu gleichem Outfit gibt es einen großen Unterschied. Bei DHL angestelle Fahrer und sogenannte Service-Partner (wer darauf achtet, kann es auf dem Fahrzeug und der Dienstkleidung sehen) Der visuelle Unterschied ist fast nicht sichtbar; der Unterschied bei Lohn und Arbeitsbedingungen ist enorm.

  • L
    lorenz

    Erneut beweist das Urgestein des kritisch-investigativen Journalismus Mut und Courage, um über die inakzeptablen Arbeitsbedingungen einer Branche zu berichten. Ob das ganze Erfolg hat, bleibt jedoch zu bezweifeln. Dazu müssten sich die Proteste nicht allein gegen die Unternehmer (die oft genugt selbst nur ausgebeutete Sub-Sub-Unternehmen sind) richten, sondern auch gegen die Kunden dieser Firmen, die einerseits ständig auf der Suche nach Billig-Schnäppchen aus dem Internet sind, gleichzeitig aber auch erwarten, dass die Ware spätestens nach zwei Tagen geliefert ist. Der Druck entsteht nämlich dort, wo völlig überzogene Verbraucherwünsche auf finanzielle Zwänge stoßen - ausbaden müssen es am Ende die am Ende der Kette stehenden Paketfahrer.

  • A
    Andre

    Man kann ja persönlich von Herrn Wallraff als Person halten was man will, aber bei Themen den Finger engagiert auf die Wunde legen und dafür die Aufmerksamkeitstrommel rühren kann er.

     

    Das Problem der Niedrigstlöhne und die Ausuferung der Scheinselbständigkeit sind ein riesen Problem in D und es muss hier eine nachhaltige solide Lösung her. Vor allem müssen die Kontrollen bezüglich der Schein selbständigkeit ausgebaut werden.

     

    Hier in der CH fängt es auch langsam an mit diesem Scheinselbständigkeitstum, aber es werden bevor es eskaliert massiv die Kontrollen dagegen hochgefahren.