Arbeitnehmer verklagt BSR: Tagelöhner klagt gegen Stadtreinigung
Der Slogan "Arbeit muss sich lohnen" sollte gerade in öffentlichen Unternehmen gelten. Bei der Stadtreinigung werden stattdessen Hunderte moderne Tagelöhner beschäftigt. Einer von ihnen klagt nun.
Wenn es draußen kalt wurde, stand Gazmend Rexhepi jeden Tag im Hof der Berliner Stadtreinigung (BSR). In aller Frühe bekam er seinen Tagesvertrag und am Ende des Arbeitstags sein Geld - ohne Versicherung, ohne Kündigungsschutz, ohne Rechte. Sechs Jahre lang. In der Wintersaison beschäftigt die BSR bis zu 1.000 Arbeitskräfte täglich auf diese Weise. Am Montag brachte Rexhepi das moderne Tagelöhnertum vor Gericht.
Seit Jahrzehnten ist es bei dem öffentlichen Unternehmen gängige Praxis, für den Winterdienst in Berlins Straßen befristet Arbeitskräfte einzusetzen. Inzwischen sind es vor allem vom Jobcenter vermittelte Hartz-IV-Bezieher, die sich mit ein paar Tagen Arbeit im Monat gerade so viel dazuverdienen, wie es das Gesetz erlaubt. Die "Tagesverträge mit Sachgrund" hat die BSR tarifvertraglich geregelt. Die Winterdiensthilfen werden pauschal mit rund 55 Euro pro Tag entlohnt - das Unternehmen hat keine Scherereien mit Krankheitsfällen oder Hilfskräften, für die es in den warmen Jahreszeiten keine Arbeit hat.
Das mag nicht gerade dem entsprechen, was Wirtschaftssenator Harald Wolf und die Linke gern als "ordentliche Arbeitsverhältnisse" von Privatunternehmen einfordern. Auf dem richterlichen Prüfstand steht aber seit Montag nicht die moralische Komponente der Tagesverträge, sondern der Missbrauch im Falle von Gazmend Rexhepi.
Sein Mandant sei über sechs Jahre jeweils fünf Monate im Jahr für fünf Tage die Woche beschäftigt gewesen, führte der Arbeitsrechtsanwalt Michael Gielen vor dem Arbeitsgericht aus. Viele hundert Tagesverträge seien so zusammengekommen. Dabei habe Rexhepi nicht nur Schnee geschippt und Granulat gestreut, wie es laut Tarifvertrag zulässig wäre. Sondern auch Laub gesaugt, die Straßen gereinigt, den Betriebshof gefegt und Toiletten geputzt. Genau wie die reguläre Stammbelegschaft der BSR. Seinen letzten Tagesvertrag unterschrieb Rexhepi am 2. April dieses Jahres, als längst kein Schnee mehr lag. "Ich wollte so nicht mehr behandelt werden", sagt der 36-Jährige und klagt nun auf Entfristung seines letzten Tagesvertrags und ordentliche Anstellung durch die BSR. Der Anwalt der Stadtreinigung hat vorsorglich schon einmal die Kündigung per 23. Mai ausgesprochen - falls Rexhepi vor Gericht tatsächlich Recht bekommen sollte.
Mit den Tagesverträgen selbst sieht sich die BSR aber im Recht. "Es gibt keine weiteren Beschwerden oder Klagen, was wir als Zeichen dafür werten, dass diese Art der Beschäftigungsverhältnisse von den Hilfskräften geschätzt wird", so der Anwalt vor Gericht.
Rexhepi sagt, vielen seiner tageweisen Kollegen ergehe es ähnlich wie ihm. "Aber sie haben Angst und nicht die Kraft zu klagen." Auch Anwalt Gielen ist der Überzeugung: "Die Hilfskräfte haben ja gar keine andere Wahl, wenn sie die Arbeit nicht verlieren wollen." Die BSR dagegen könne die ebenfalls gängigen Bedarfsarbeitsverträge einsetzen, um saisonale Spitzen abzudecken. Dabei füllen die Beschäftigten ein Jahreszeitkontingent so auf, wie sie gebraucht werden. Bezahlt und versichert werden sie aber das ganze Jahr. Rexhepi hatte sich mehrfach für eine dieser Stellen beworben, sei aber nicht einmal zum Vorstellungsgespräch eingeladen worden.
Wirtschaftssenator Wolf, selbst Aufsichtsratsvorsitzender der BSR, versprach nach ersten Medienberichten im April, die Nutzung der Tagesverträge zu prüfen. Eine Sprecherin der Stadtreinigung sagte dagegen am Montag der taz: "Das ist allgemein akzeptierte und rechtlich durchgeprüfte, wirtschaftlich sinnvolle Praxis."
Vor Gericht lehnte der Anwalt der BSR eine gütliche Einigung ab. Ein Urteil fällt daher voraussichtlich erst am 27. Oktober. In dieser Zeit beginnt bei der Stadtreinigung auch die nächste Wintersaison und die Arbeit für Hunderte Tagelöhner. Gazmend Rexhepi wird zum ersten Mal seit sechs Jahren sicher nicht dabei sein.
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