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Arbeitnehmer-MitbestimmungFDP will Betriebe ratlos machen

Könnte sie, wie sie wollte, würde die FDP die Möglichkeit zu Betriebsrats-Gründungen in kleinen Betrieben einschränken. Doch gerade dort ist eine effektive Interessenvertretung oft nötig.

Solche Bilder tun der FDP weh: Betriebsversammlung bei Hannover. Bild: dpa

BERLIN taz | Ginge es in den Koalitionsverhandlungen allein nach dem Willen der FDP, würde die Arbeitnehmermitbestimmung durch Betriebsräte in Deutschland ein gutes Stück zurechtgestutzt. So fordern die Liberalen, die Einrichtung von Betriebsräten solle künftig erst in Unternehmen mit mindestens 20 Beschäftigten möglich sein - bisher haben Beschäftigte laut Betriebsverfassungsgesetz ab 5 Arbeitnehmern einen Anspruch darauf. Auch sollen sich Betriebsräte erst ab einer Unternehmensgröße von 500, und nicht wie derzeit von 200, Beschäftigten für ihre Arbeit freistellen lassen können.

Laut einer neuen Untersuchung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) stellt der Vorstoß der FDP Betriebsratsgremien in rund 28.000 Unternehmen in Frage. 300.000 Beschäftigte könnten künftig ohne ihre Vertretungen dastehen. Zudem müssten etwa 8.100 voll oder teilweise freigestellte Betriebsräte die Interessenvertretung ihrer Kollegen neben ihrer Tätigkeit für das Unternehmen erbringen.

Für Martin Behrens, Experte für Arbeitsbeziehungen am Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, wäre dies ein eindeutiger Rückschritt - für Arbeitnehmer und Arbeitgeber. "Eine Fülle von Studien kommt zu dem Ergebnis, dass sich die Arbeit von Betriebsräten mindestens kostenneutral, wenn nicht sogar leicht positiv auf die Profitabilität, die Innovationskraft und die Beschäftigung in Unternehmen auswirkt." Das Argument der Liberalen, die betriebliche Mitbestimmung koste die Betriebe zu viel, hält Behrens für "sachlich nicht nachweisbar". Gerade in der Wirtschaftskrise erwiesen sich Betriebsräte zudem als "aktive Partner der Geschäftsleitung". Ihre Blick auf die Personalsituation oder einen Firmenumbau trage ganz wesentlich zum Zustandekommen durchdachter Entscheidungen bei. "Nicht zuletzt kann das den Maßnahmen der Geschäftsführung Legitimität verleihen." Auch deswegen betonten Manager in Großbetrieben immer wieder, wie gelegen ihnen Betriebsräte kämen: Sie wirkten disziplinierend auf die Belegschaft.

Doch die Verteilung von Betriebsräten stellt sich sehr unterschiedlich dar: Von den rund 11 Millionen Beschäftigten, denen ein Betriebsrat zur Seite steht, arbeiten die meisten in einem großen Unternehmen: Neun von zehn Betrieben mit mehr als 500 Mitarbeitern haben hierzulande eine Arbeitnehmervertretung. "Bei kleinen Betrieben ist es hingegen eine absolute Minderheit", betont Behrens. So hat laut IAB gerade mal jede 17. Firma unter 50 Beschäftigten einen Betriebsrat.

Doch gerade in Kleinbetrieben wie Discountern, Wachdiensten, in der Gebäudereinigung oder im Gastgewerbe wird der Mangel an Arbeitnehmervertretungen für die Beschäftigten oft zu einem Problem: Wo es an Betriebsräten fehle, würden Konflikte zu Lasten der Arbeitnehmer "systematisch individualisiert", betont der Soziologe Stefan Lücking von der TU München. Eine effektive Arbeitnehmervertretung sei vor allem dort nötig, wo aufgrund kleiner Betriebsgrößen "Konflikte schnell zu persönlichen Auseinandersetzungen führen", sagt Lücking.

Sei es, dass man den Unmut der Gewerkschaften zu sehr fürchtet, oder weil man weiß, dass Betriebsräte Unternehmensabläufe konfliktfreier und effektiver halten können: In der CDU will man dieses Arbeitnehmerrecht nicht antasten. Das haben Angela Merkel und CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla seit Beginn der Koalitionsverhandlungen mehrfach betont. Ob die FDP jedoch von ihren Forderungen auf lange Sicht ablässt, bezweifelt Behrens: "Das Thema ist der FDP zu wichtig, das ist keine Symbolpolitik." Er warnt die Liberalen jedoch vor ungewollten Nebenwirkungen: "Müssten sich gewählte Betriebsräte nach einer Gesetzesänderung auflösen, kann das in der Fläche zu einer Konfliktaufladung führen."

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20 Kommentare

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  • KS
    Klaus Seilberger

    @Bastlmayer

    Ich empfinde Ihre Einstufung der FDP als "Klientelpartei" als unnötig polemisch. Was wäre das Gegenteil von "Klientelpartei"? Eine Partei, die ohne Blick auf Sonderinteressen nur dem Gemeinwohl verpflichtet ist? Und wer sollte das sein? Alle Parteien in Deutschland sind doch in der einen oder anderen Weise "Klientelpartei".

     

    Auch Ihre Klientel - Gewerkschaftler, Betriebs- und Personalräte - sucht sich doch ebenfalls Parteien danach aus, wer sich maximal für Ihre Interessen einsetzt. Was ist daran verwerflich?

     

    Im übrigen sollten Sie sich ernsthaft mit den Ängsten kleiner Unternehmen vor gewerkschaftlichem Einfluß auseinandersetzen. Vielleicht sind diese Ängste gelegentlich berechtigt?

  • M
    MaikA

    @foes1: Sie schwafeln, ohne sich vorher zumindest zu informieren.

  • KM
    korruptas ministerias

    Mitbestimmung in Deutschland? Die Mitbestimmung wurde schon längst durch die Zulassung europäischer Rechtsformen abgeschafft. Schonmal eine Limited mit Betriebsrat gesehen?

  • B
    Bastlmayer

    Wenn das alles stimmen sollte, was aus den Koalitionsverhandlungen seitens der Begehren der FDP durchdringt, dann ist nicht zu verstehen, wie Arbeitnehmer FDP wählen konnten. Was hat sie bewegt das zu tun, das Wahlprogramm der FDP? Ich bin sicher, das haben die meisten FDP-Wähler nicht gelesen. Die Redegewandtheit von Herrn Westerwelle? Möglich. Die versprochenen, marginalen Steuersenkungen? Wahrscheinlich. Es ist schon erstaunlich, wie die FDP-Wähler aus der Schicht der abhängig Beschäftigten durch ihre Wahlentscheidung soziale Errungenschaften der letzten 50 Jahre durch Eigeninitiative, Gewerkschaftsunterstützung, Streik usw. fast alle in frage gestellt haben. Man stellt erneut fest, die FDP ist eine reine Klientel-Partei, der eine ausgeglichene Gesellschaft scheinbar völlig egal ist. Es kann auch sein, dass diese FDP-Wähler aus lauter Frust und Unzufriedenheit mit den gesellschaftlichen Verhältnissen nun halt ihr Heil bei der FDP suchen. Grotesk!

  • F
    foes1

    Deutschland, das einzige Land der Welt, das so doof ist, ein Mitbestimmungsgesetz zu haben. Hiermit wurde seit 1973 ein Schaden angerichtet, der sich ungefähr in Höhe der Staatsverschuldung bewegt. Und das nur, weil wir es für nötig erachten, gewerkschaftliche Selbstdarsteller zu verhalten. Warum eigentlich? Was haben die Arbeitnehmer eigentlich davon, überall reinreden zu dürfen? Genau: nichts, ausser schwindendem Wohlstand.

  • H
    HRolf

    Diese Kampfansage der fdp kann nicht widerspruchslos hingenommen werden. Ausgerechnet die Mitschuldigen an der Finanz- und Wirtschaftskrise wollen die Mitbestimmung schwächen.

  • V
    Volker

    Dass der Typ von der Hanns-Boeckler-Stiftung das sagt, ist klar. Den braucht man dazu nicht zu fragen. Tendenziöse Überschrift, wenig Inhalt.

  • JK
    Juergen K.

    Das groesste Manko in der Mitbestimmung besteht wohl in Betrieben mit 80 Mio Mitarbeitern (Deutschland AG).

     

    Hier sollte eine regelmaessige Urabstimmung Pflicht sein (Volksabstimmung).

     

    Dessen "Betriebsrat" sollte in der Tat ausschliesslich ein Recht auf Rat haben (Vorschlagsrecht).

  • V
    vic

    Die FDP macht genau das, was ich von ihr erwartet habe. Die sind so berechenbar.

    Mein ganz persönlicher "pain in the neck", den mir kein Arzt nehmen kann.

  • T
    Till

    Betriebsräte kenn ich nicht.

     

    Ich arbeite in einem Betrieb mit 9Mitarbeitern und el chefe achtet stark darauf keinen 10ten festen Mitarbeiter ein zu stellen.

     

    Mittelstand beteutet in diesem Fall, Familienbetrieb.

    Chef sagt wie´s zu laufen hat - ob pausen die halb oder ganz ausbleiben - 8std arbeit dann 6std freizeit dann 5sdt drauf sind der Regelfall - kein pausenraum - mal 14std - mal 14 tage ohne freien Tag ...

    ich könnte jetzt stunden so weiter machen, und wenn man es nicht mitmachen will kann man ja auch gehn...

    also wenn uns 9 neun auch noch die Hoffnung verloren geht, dass wir mit einem 10ten festen mitarbeiter beim chef endlich durchbekommen würden einen Betriebsrat einrichten zu dürfen, weil wenn man zu stark fordert steht man auf der Abschussliste, dann sind wir bald alle erstma auf job suche, weil lange hält das keiner mehr aus.

     

    Warum die politisch Linke nicht gemeinsam stehen kann, man man man

  • KS
    Klaus Seilberger

    @Bastlmayer

    Ich empfinde Ihre Einstufung der FDP als "Klientelpartei" als unnötig polemisch. Was wäre das Gegenteil von "Klientelpartei"? Eine Partei, die ohne Blick auf Sonderinteressen nur dem Gemeinwohl verpflichtet ist? Und wer sollte das sein? Alle Parteien in Deutschland sind doch in der einen oder anderen Weise "Klientelpartei".

     

    Auch Ihre Klientel - Gewerkschaftler, Betriebs- und Personalräte - sucht sich doch ebenfalls Parteien danach aus, wer sich maximal für Ihre Interessen einsetzt. Was ist daran verwerflich?

     

    Im übrigen sollten Sie sich ernsthaft mit den Ängsten kleiner Unternehmen vor gewerkschaftlichem Einfluß auseinandersetzen. Vielleicht sind diese Ängste gelegentlich berechtigt?

  • M
    MaikA

    @foes1: Sie schwafeln, ohne sich vorher zumindest zu informieren.

  • KM
    korruptas ministerias

    Mitbestimmung in Deutschland? Die Mitbestimmung wurde schon längst durch die Zulassung europäischer Rechtsformen abgeschafft. Schonmal eine Limited mit Betriebsrat gesehen?

  • B
    Bastlmayer

    Wenn das alles stimmen sollte, was aus den Koalitionsverhandlungen seitens der Begehren der FDP durchdringt, dann ist nicht zu verstehen, wie Arbeitnehmer FDP wählen konnten. Was hat sie bewegt das zu tun, das Wahlprogramm der FDP? Ich bin sicher, das haben die meisten FDP-Wähler nicht gelesen. Die Redegewandtheit von Herrn Westerwelle? Möglich. Die versprochenen, marginalen Steuersenkungen? Wahrscheinlich. Es ist schon erstaunlich, wie die FDP-Wähler aus der Schicht der abhängig Beschäftigten durch ihre Wahlentscheidung soziale Errungenschaften der letzten 50 Jahre durch Eigeninitiative, Gewerkschaftsunterstützung, Streik usw. fast alle in frage gestellt haben. Man stellt erneut fest, die FDP ist eine reine Klientel-Partei, der eine ausgeglichene Gesellschaft scheinbar völlig egal ist. Es kann auch sein, dass diese FDP-Wähler aus lauter Frust und Unzufriedenheit mit den gesellschaftlichen Verhältnissen nun halt ihr Heil bei der FDP suchen. Grotesk!

  • F
    foes1

    Deutschland, das einzige Land der Welt, das so doof ist, ein Mitbestimmungsgesetz zu haben. Hiermit wurde seit 1973 ein Schaden angerichtet, der sich ungefähr in Höhe der Staatsverschuldung bewegt. Und das nur, weil wir es für nötig erachten, gewerkschaftliche Selbstdarsteller zu verhalten. Warum eigentlich? Was haben die Arbeitnehmer eigentlich davon, überall reinreden zu dürfen? Genau: nichts, ausser schwindendem Wohlstand.

  • H
    HRolf

    Diese Kampfansage der fdp kann nicht widerspruchslos hingenommen werden. Ausgerechnet die Mitschuldigen an der Finanz- und Wirtschaftskrise wollen die Mitbestimmung schwächen.

  • V
    Volker

    Dass der Typ von der Hanns-Boeckler-Stiftung das sagt, ist klar. Den braucht man dazu nicht zu fragen. Tendenziöse Überschrift, wenig Inhalt.

  • JK
    Juergen K.

    Das groesste Manko in der Mitbestimmung besteht wohl in Betrieben mit 80 Mio Mitarbeitern (Deutschland AG).

     

    Hier sollte eine regelmaessige Urabstimmung Pflicht sein (Volksabstimmung).

     

    Dessen "Betriebsrat" sollte in der Tat ausschliesslich ein Recht auf Rat haben (Vorschlagsrecht).

  • V
    vic

    Die FDP macht genau das, was ich von ihr erwartet habe. Die sind so berechenbar.

    Mein ganz persönlicher "pain in the neck", den mir kein Arzt nehmen kann.

  • T
    Till

    Betriebsräte kenn ich nicht.

     

    Ich arbeite in einem Betrieb mit 9Mitarbeitern und el chefe achtet stark darauf keinen 10ten festen Mitarbeiter ein zu stellen.

     

    Mittelstand beteutet in diesem Fall, Familienbetrieb.

    Chef sagt wie´s zu laufen hat - ob pausen die halb oder ganz ausbleiben - 8std arbeit dann 6std freizeit dann 5sdt drauf sind der Regelfall - kein pausenraum - mal 14std - mal 14 tage ohne freien Tag ...

    ich könnte jetzt stunden so weiter machen, und wenn man es nicht mitmachen will kann man ja auch gehn...

    also wenn uns 9 neun auch noch die Hoffnung verloren geht, dass wir mit einem 10ten festen mitarbeiter beim chef endlich durchbekommen würden einen Betriebsrat einrichten zu dürfen, weil wenn man zu stark fordert steht man auf der Abschussliste, dann sind wir bald alle erstma auf job suche, weil lange hält das keiner mehr aus.

     

    Warum die politisch Linke nicht gemeinsam stehen kann, man man man