Arbeit unter Kontrolle: Ab Sommer wird geprüft

Der Zoll verbucht einen Anstieg der organisierten Schwarzarbeit. Die Kontrollen zur Einhaltung des neuen Mindestlohns werden derweil noch vorbereitet.

Der Zoll kontrolliert auch Schwarzarbeit und Verstöße gegen das Mindestlohngesetz. Bild: dpa

BREMERHAVEN taz |Der Zoll ist zufrieden mit seiner Jahresbilanz 2014. In Bremen und Bremerhaven hat die Behörde über Einfuhrabgaben und Verbrauchsteuern insgesamt 4,33 Millionen Euro erwirtschaftet. Weniger erfreulich ist allerdings die zweite Rekord-Meldung des Berichts, den Hauptzollamtsleiter Jörg Winterfeld jetzt präsentierte: Der von den Beamten nachgewiesene steuerliche Schaden durch Schwarzarbeit lag im vergangenen Jahr bei 16,5 Millionen Euro. Das sind zwei Millionen mehr als im Vorjahr – „bei gleicher Prüfdichte“, sagte Winterfeld.

Rund 3.600 Straf- und Bußgeldverfahren haben die ZöllnerInnen in diesem Bereich auf den Weg gebracht. Harald Hobbie, Leiter der in diesem Bereich zuständigen Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS), spricht von „organisierter Kriminalität“. Die illegale Beschäftigung sei oft planmäßig und über längere Zeiträume betrieben worden. Tatsächlich gehen rund 40 Prozent des Gesamtschadens auf nur vier große Fälle zurück.

Alarmierend findet das auch die Politik. Bei einem Treffen des „Bündnisses gegen Schwarzarbeit“, an dem neben dem Zoll auch VertreterInnen von Industrie, Gewerkschaften und des Senats beteiligt sind, sagte die grüne Finanzsenatorin Karoline Linnert: „Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung sind ein gesamtgesellschaftliches Problem und kein Kavaliersdelikt.“ Sie berichtete beispielhaft von Osteuropäern, die vor einem Bremer Baumarkt stünden, um sich für Gartenarbeit oder handwerkliche Tätigkeiten anheuern zu lassen – zu minimalen Löhnen, unversichert und unversteuert.

Die Industriegewerkschaft IG Bau nennt diese Arbeitsbedingungen „ausbeuterisch“ – in der Wirtschaft sorgt man sich aber auch ums Geschäft. Ingo Beilmann, Geschäftsführer des Bremer Verbands Baugewerblicher Unternehmer (VBU) sagte, Handwerksbetriebe mit soliden Geschäftsmodellen und Bezahlung nach Tarif könnten sich nur schwer gegen Unternehmen behaupten, „die von illegaler Beschäftigung profitieren“.

Seit 1. Januar 2015 gilt der gesetzliche Mindestlohn von 8,50 Euro. Er gilt als größte sozialpolitische Reform seit den Hartz-Gesetzen der "Agenda 2010".

Derzeit gelten diverse Ausnahmeregeln - für Langzeitarbeitslose, Zeitungs-ZustellerInnen oder viele PraktikantInnen.

Zuständig für die Kontrolle ist der Zoll. Für die Maßnahmen wurden bereits 1.600 neue Stellen geschaffen. Weitere sollen folgen.

Wirtschafts-Lobbyisten kritisieren den bürokratischen Aufwand der Dokumentationspflicht. Arbeitgeber müssen Zeiten minutiös dokumentieren.

Konkurrenzangst dürfte zumindest ein Grund für die oft anonymen Tipps sein, die bei der FKS eingehen. Das Hinweistelefon klingelt laut Hobbie sechs- bis achtmal am Tag. Darunter seien allerdings auch Denunzianten, denen etwa das große Auto des arbeitslosen Nachbarn aufgefallen sei, sagte der FKS-Leiter: „Sowas hilft uns natürlich nicht.“

In Zukunft dürften dann allerdings vermehrt auch tatsächlich Betroffene zum Hörer greifen, da der Zoll seit Anfang des Jahres auch mit der Einhaltung des neuen Mindestlohngesetzes betraut ist. Kontrolliert wurde bisher allerdings noch niemand. Direkt zum Jahresanfang hätte das nichts gebracht, sagt Hobbie zur Begründung – die zu beanstandenden Löhne hätten schließlich erst mal gezahlt werden müssen. Außerdem gibt es das für umfangreiche Kontrollen benötigte Personal bisher auch nur auf dem Papier.

Von den bundesweit 1.600 neuen Stellen für die Mindestlohnkontrolle kommen 41 zur Bremer FKS. Gemessen am bisherigen Personalstand ist das viel: Zurzeit arbeiten dort 99 Bedienstete. Die Neuen werden noch ausgebildet und können dann zum 1. August anfangen. Dann dürfte bereits eine Menge Papierkram warten, da Lohn und Arbeitszeiten auch rückwirkend zu belegen sind.

Der bürokratische Aufwand ist groß: 30 Gesetze und Vorschriften sind vom Mindestlohngesetz betroffen – die Betriebe haften etwa auch für von ihnen beauftrage Subunternehmer. Zudem ist im Sommer, wenn die neuen BeamtInnen kommen, auch Hochsaison für die Gastronomie. Und die zählt neben Bauwesen, Pflege und Personenverkehr zu den Ermittlungsschwerpunkten der FKS.

Die Deutsche Zoll- und Finanzgewerkschaft hat bereits mehr Personal gefordert. Seit der Gründung der FKS im Jahr 2004 wächst dieser Bereich stetig. Erfolgsmeldungen verbucht der Zoll aber auch in seinem klassischen Aufgabengebiet an der Grenze: Die Beschlagnahmungen von gefälschten Markenprodukten und Medikamenten hat sich im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt.

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