Arbeit in Serie: Personal Trainer: „Kein Nine-to-Five-Job“

Sascha Bauer* hat seine Leidenschaft für Sport als Personal Trainer zum Beruf gemacht. Doch die eigene Erholung bleibe dabei oft auf der Strecke.

Eine Illustration, wie einen Fitnesstrainer zeigt, der gegen einen Baum boxt - denn er ist auch Boxer

„Ich halte Leute fit und mache sie glücklich“, sagt Personal Trainer Sascha Bauer* Illustration: Yvonne Kuschel

Der Arbeitsort

Als selbständiger Personal Trainer ist Sascha Bauer in ganz Berlin unterwegs. Am Nachmittag trifft er seine privaten Kunden im Park oder bei ihnen zu Hause. Am Vormittag arbeitet er als Manager in einem Fitnessstudio im Prenzlauer Berg. „Es ist ein Franchise-Studio, die haben deutschlandweit Ableger, aber auch in Russland.“

Der Mensch

Sascha Bauer spricht leise, wirkt fast schüchtern. Er trägt einen gepflegten Bart, sportliche Kleidung und bringt die Trainingstasche zum Gespräch im Café mit, denn später am Nachmittag wird er noch eine Kundin treffen. Kuchen möchte er keinen zum Kaffee. „Meine Frau und ich verzichten seit fünf Wochen auf Zucker.“

Nicht nur mit sich selbst, auch mit den Kundinn*en ist Sascha Bauer streng. Der anfangs festgelegte Plan wird eingehalten. „Manchmal muss ich denen sagen ‚Wir hören auf, wenn du weiter Süßigkeiten isst!‘“ – „Nur wenn es gar nicht mehr geht, können sie sonntags mal einen Zuckertag einlegen.“

Seine Frau sei Modedesignerin und möchte sich gerne als solche selbständig machen, erzählt er, sichtlich stolz.

Man sieht Bauer seinen sportlichen Beruf an. Er ist muskulös, aber nicht künstlich aufgepumpt. „Gesundheit ist mir das Wichtigste, für mich und meine Kunden: gesundes Training, gesunde Ernährung. 60 Prozent der Fitness ergibt sich aus der Ernährung.“

Bauer ist 37 Jahre alt, wirkt aber jünger, wenn auch ein bisschen müde. Geboren ist er in Nordkasachstan, in eine deutschstämmige Familie. „Ich war schon 18, als ich mit meinen Eltern und Geschwistern nach Deutschland, nach Nordhausen in Thüringen kam.“

Wie alles begann

„Nach dem Zerfall der Sowjetunion ist auch unsere Heimatstadt zerfallen, es wurde ziemlich kriminell dort. Mein Vater meinte deshalb, ich soll fit werden und boxen lernen, damit ich mich wehren kann. Er selbst hat auch geboxt. Ich hab dann in der Schule viel trainiert. Später habe ich meinen jüngeren Bruder mitgenommen zum Training.“ Und seine ältere Schwester? „Die hat nicht Boxen gelernt.“

Die Boxschule in Nordhausen sei später auch der Ort gewesen, an dem er richtig Deutsch gelernt habe, Freunde fand.

„Nach der Schule habe ich dann angefangen, Maschinenbau zu studieren und nebenbei als Türsteher gearbeitet.“ Aber auch mit Boxkämpfen verdient Bauer damals schon Geld. Der Wunsch wächst, den Sport zum Beruf zu machen. „Ich habe das Studium geschmissen und bin nach Berlin gezogen, wo ich Freunde hatte. Drei Monate lang habe ich dann eine Umschulung zum Trainer gemacht.“ 1.000 Euro habe die Fitness-Lizenz ihn gekostet. „Das lohnt sich.“

Den Job im Studio bekommt Bauer im Anschluss an ein Praktikum dort. „Thai- und Kickboxen sind meine Steckenpferde, aber je nach den Erwartungen der Privatkunden arbeiten wir am Muskelaufbau, auch am Rücken, oder auch daran, Gewicht zu verlieren.“

Die Branche

Mit unserer „Arbeit in Serie“ werfen wir alle zwei Wochen Schlaglichter auf die Berliner Arbeitswelt, auf spannende Tendenzen und bedenkliche Phänomene. MehrfachjobberInnen, moderne ArbeitssklavInnen, ArmutsrentnerInnen: Wir schauen dahin, wo es wehtut. Aber auch dahin, wo die Berliner Wirtschaft boomt: Immobilienbranche, Unterhaltungsindustrie, digitale Transformation. Wir stellen Fragen nach Wertschätzung und Perspektiven. Wir sprechen mit Menschen, die typisch sind für Entwicklungen und doch auch ihre ganz eigene Geschichte erzählen. Alle Folgen finden sich unter taz.de/arbeitinserie. (taz)

„Super Jungs“ sind die Berliner Kollegen, so Bauer. Man kennt sich in der Szene, schätzt sich, ist teils befreundet.

„Es machen ja heute sehr viele Fitnesssport und mehr und mehr Leute interessieren sich dafür“ – die Branche wächst. Wer sparen müsse, gehe eher zu den Studio-Ketten als einen Personal Trainer zu bezahlen, weiß Bauer. „Dort sind auch gute Trainer, aber die haben einfach zu viel Arbeit, um sich um den einzelnen Kunden kümmern zu können.“ Und das sei zentral, denn wer nicht wisse, wie man richtig trainiere, schädige die eigene Gesundheit.

Die Arbeitszeit

„Meine Arbeit ist kein Nine-to-Five-Job.“ Bauer muss früh aufstehen, wenn Kundinn*en noch vor ihrer Arbeit trainieren wollen und hat lange Tage, wenn Abendtermine anstehen: maximale Flexibilität.

Dazu kommen die Schichten als Angestellter im Studio. „Oft muss ich dort auch einspringen, wenn Kollegen krank oder im Urlaub sind.“

Die eigene Erholung bleibe bei diesen vielen Einsätzen oft auf der Strecke: „Meine Frau und ich waren letztens eine Woche in Athen, das war viel zu kurz, um richtig abschalten zu können.“

Die Branche Dem aktuellen Bericht des Arbeitgeberverbandes deutscher Fitness- und Gesundheits-Anlagen (DSSV) aus dem Jahr 2019 zufolge ist das Fitnesstraining in Deutschland mit 11 Millionen Studio-Mitgliedern (13,4 Prozent der Gesamtbevölkerung) bei wachsender Tendenz die mitgliederstärkste Trainingsform. Vereinsfußball nimmt dahinter den zweiten Platz ein. Berlin liegt bei den Studio-Mitgliedschaften mit 14,5 der Bevölkerung über Brandenburg mit 10,5 Prozent und auch noch über dem Bundesdurchschnitt. Laut dem Bericht nutzen die Deutschen durchschnittlich vier bis fünf Mal im Monat ihr Fitnessstudio.

Der Bundesverband Personal Training (BPT), gegründet im Dezember 1999, bemüht sich um Qualitätssicherung und Weiterentwicklung des gesetzlich nicht geschützten Berufsfeldes, auch mit TÜV-Zertifikaten. Zum BPT-„Ehrenkodex“ gehört nicht nur „größtmögliche Sorgfalt bei Vorbereitung, Durchführung, Information und Dokumentation des Trainings walten zu lassen“, sondern auch keine Heilung zu versprechen und, sofern notwendig, das Training mit dem Klienten nicht ohne vorherigen Arztbesuch zu beginnen. Ein Stundenhonorar von mindestens 75 Euro netto ist dem Kodex zufolge für Personal Trainer*innen angemessen. (sah)

Dazu gehört auch, dass Bauer immer für seine Kunden erreichbar sein will. „Fernbetreuung“ nennt er das. „Manchmal brauchen die eine Motivationsnachricht über WhatsApp, um sich an den Plan zu halten.“

Die Bezahlung

Mit Privatkunden zu arbeiten mache nicht nur mehr Spaß als der Managerjob im Studio, sondern bringe auch mehr Geld, nämlich zwischen 40 und 60 Euro die Stunde.

Durch die Anstellung im Studio verdient Bauer monatlich etwa 1.400 Euro netto. „Es geht gerade so für uns“, auch weil das Paar mit dem Kinderkriegen noch warten möchte, bis beider Selbstständigkeit gesicherter ist.

„Ich habe noch zu wenig private Aufträge. Ich möchte jetzt mehr Werbung machen und ein Promovideo drehen.“ Um in Werbung investieren zu können, muss Bauer allerdings einen Kredit aufnehmen. „Die Chefs vom Studio unterstützen mich dabei, denn ich verdiene zu wenig, um kreditwürdig zu sein.“

Das Gewissen

Ein Reines: „Ich halte Leute fit und mache sie glücklich.“

Die Wertschätzung

„Für meine Eltern – besonders meinen Vater – war es schlimm, als ich das Maschinenbaustudium geschmissen habe. Sie konnten sich nicht vorstellen, dass man vom Sport leben kann.“ Jetzt, da er bewiesen habe, dass es funktioniert, seien die Eltern beruhigter.

Wertschätzung erfahre er auch, wenn er nach einem Training positives Feedback von den Kundinn*en bekommt. „Mit einigen Kunden bin ich auch befreundet, das sind coole Jungs.“

Die Perspektive

„Ich würde gerne irgendwann nur noch von den privaten Aufträgen leben können.“

Aber Bauer plant auch groß. Gerade studiert er berufsbegleitend noch Fitnessmanagement und muss dafür ab und zu an die Hochschule in Hamburg.

Das Ziel: „Langfristig hätte ich gerne ein eigenes Studio oder als Franchise-Partner sogar mehrere Studios, zum Beispiel auch in Leipzig.“

Was kaufen Sie sich mit unverhofften 100 Euro?

„Dafür würde ich mit meiner Frau einen Tag im Vabali Spa am Hauptbahnhof entspannen. Da waren wir schon einmal. Oder ich würde das Geld für einen Entspannungsurlaub zurücklegen. So etwas Stressiges wie den Athen-Trip möchte ich nicht nochmal erleben.“

* Name geändert

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