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Arafat erhält den Schlüssel für Hebron

■ Erstmals schließt der konservative Benjamin Netanjahu Frieden mit Jassir Arafat: Nach langem Gezerre beginnt der israelische Teilabzug aus der palästinensischen Stadt. Stufenplan für Rückzug aus ländlichen Gebieten vereinbart

Erez (AFP/taz) – Nach dem Abschluß des Hebron-Abkommens haben die israelischen Soldaten gestern ihren Teilrückzug aus der Stadt im Westjordanland vorbereitet. Die Operation „Schlüsselübergabe“ soll fünf Tage dauern und am Wochenende beendet sein. Das Abkommen, das in der Nacht paraphiert wurde, sieht den Abzug der israelischen Armee aus vier Fünfteln der Stadt vor. Es ist die erste Vereinbarung der Palästinenser mit der neuen konservativen Regierung in Israel. Sie umfaßt auch einen Zeitplan für die Übergabe ländlicher Gebiete des Westjordanlandes, die noch israelisch besetzt sind, an die palästinensische Autonomieverwaltung.

Doch für die Umsetzung des Abkommens ist zunächst die Zustimmung der israelischen und palästinensischen Regierung und der Knesset, des israelischen Parlaments, notwendig. Das israelische Kabinett kam gestern zusammen, um darüber zu beraten. In Regierungskreisen wurde erwartet, daß einige Minister dagegen stimmen. Auch die Palästinenserregierung hatte gestern eine Sitzung angesetzt. Die Knesset will heute darüber abstimmen.

Der Teilrückzug soll bei einem Treffen israelischer und palästinensischer Offiziere vorbereitet werden. Israel plant gleichzeitig die Entsendung Hunderter von Polizisten und Grenztruppen, die Protestaktionen der jüdischen Siedler in Hebron verhindern sollen. In Hebron leben 400 Siedler neben 120.000 Palästinensern. Die Stadt ist neben dem annektierten Ost-Jerusalem die letzte, die noch israelisch besetzt ist.

Die Einigung sieht auch vor, daß sich die israelische Armee in drei Stufen von März diesen Jahres an bis Ende August 1998 weitgehend aus den ländlichen Regionen des Westjordanlandes zurückzieht. Dabei darf die israelische Regierung nach eigenen Angaben relativ frei festlegen, wo ihre Soldaten stationiert bleiben sollen. Dies habe die US-Regierung zugesichert, sagte ein Regierungsvertreter. Außerdem vereinbarten beide Seiten die Wiederaufnahme der Gespräche über den endgültigen Status der Palästinensergebiete innerhalb von zwei Monaten. Die Verhandlungen hatten im Mai 1996 begonnen, waren kurz darauf aber wieder abgebrochen worden.

Alle über die Hebron-Einigung hinausgehenden Aspekte seien in einem getrennten Dokument paraphiert worden, sagte US- Vermittler Dennis Ross, der die Einigung in wochenlanger Pendelmission vermittelt hatte. Das Abkommen wurde in Gegenwart von Palästinenserpräsident Jassir Arafat und Ministerpräsident Benjamin Netanjahu von dem palästinensischen Chefunterhändler Saeb Erakat und seinem israelischen Kollegen Dan Schomron in Erez, am Übergang zwischen Israel und dem Gaza-Streifen, abgezeichnet. An dem Treffen nahm auch der EU-Sondergesandte für den Nahen Osten, Miguel Moratinos, teil.

Die Einigung wurde international positiv aufgenommen. US- Präsident Bill Clinton sprach von einem „weiteren Schritt zu einem dauerhaften, sicheren Nahost-Frieden“. Die EU-Staaten begrüßten das Abkommen ebenso wie die arabischen Nachbarstaaten Äygpten und Jordanien, die maßgeblichen Anteil an seinem Zustandekommen hatten. Die syrische Regierungspresse schrieb dagegen, mit der Vereinbarung werde der Friedensprozeß begraben. Kritik kam auch von radikalen Palästinenserorganisationen, ultrakonservativen israelischen Politikern und Siedlern.

Tagesthema Seiten 2 und 3, Kommentar Seite 10

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