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Applaus für alle

■ Das Schauburg-Publikum reagierte am Mittwoch mit entschlossen undifferenzierter Begeisterung auf drei restlos unterschiedliche „Women in (E)Motion„-Konzerte

Am Mittwoch eröffnete das „Women in (E)motion„-Festival mit den Trios von Jeanne Carrol, Amina Claudine Myers und Dorothy Donegan in der Schauburg. „Wo bin ich denn hier?“ dachte ich zwischendurch, erst verunsichert, dann verärgert. Doch der Reihe nach: Es gab am Mittwoch eigentlich drei völlig unterschiedliche Konzerte - unterschiedlich vor allem in Niveau und Qualität. Bloß die Reaktion des Pulikums war unterschiedslos enthusiastisch. Mal abgesehen davon, daß das geradezu peinlich war - es war völlig unangemessen. Jeanne Carroll und ihr „All Woman Trio“ sind nette, ältere Ladies, die fatal an eine etwas amateurhafte Damenkapelle erinnerten. Nun, immerhin spielten sie Blues, vielleicht in etwa so, wie er in Kneipen oder auf Gemeindefesten in Chicago gespielt wird. Das war nett, aber auf keinen Fall mehr. Warum das Begeisterungsstürme auslöst, ist mir schleierhaft.

Der zweite Set war überhaupt die einzige Rechtfertigung für den gezahlten Eintritt. Amina Claudine Myers, Jerome Harris am E-Baß und Reggie Nicholson am Schlagzeug gaben ein beeindruckendes und glücklicherweise eineinhalbstündiges Konzert, hauptsächlich mit Stücken des Bessie Smith-Albums von A.C. Myers: Kompositionen der Empress selbst, wie „Jailhouse Blues“ oder „Dirty no-gooder's blues“, und die beiden Bessie Smith gewidmeten Myers-Kompositionen „The Blues (Straight To You)“ und „African Blues“. Es gab auch eine schöne Version des Titeltracks ihres Albums Country Girl. Myers ist eine virtuose Pianistin, die filigran verspielte Anschläge ebenso beherrscht wie bluesig rollende Linien oder perkussive Cluster. Virtuosität nicht auf Geschwindigkeit oder fingerfertige Mätzchen gerichtet, sondern auf adäquate, interpretierende Umsetzung der Kompositionen. Jerome Harris steuerte noch zwei

aufregende Baß-Soli bei, und Reggie Nicholson trommelte kraftvoll, präzise und abwechslungsreich.

Daß Dorothy Donegan, die mehr Interesse daran hatte, sich als Musikclown denn als ernsthafte Pianistin zu profilieren, dann ebenso, wenn nicht mehr gefeiert wurde, zeugt von allem Möglichen, nur nicht von Geschmack. Jeder noch so abgedroschene Gag (bedeutungsschwer anzüglich ins Pubblikum blicken, Anschlag nur andeuten, die Perrücke verschieben) löste wahre Lachsalven aus. Frau Donegan hat zweifelsohne pianistische Fingerfertigkeit. bloß erschöpft sich die in kalter Kunstfertigkeit, kapriziert sich auf musikalische Klischees. Ganz nach dem Motto Seht mal, ich kann auch klassisch oder Erkennen Sie die Melodie. Und das Publikum reagierte wie dressiert. Rasender Applaus selbst für die abgedroschensten Potpouries.

Arnaud

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