Antritt bei der Europawahl: Freie Wähler ärgern CSU weiter
Die Freien Wähler wollen bei den Europawahlen antreten. Und tun den Christsozialen damit richtig weh. Die nämlich werden mit der 5-Prozent-Hürde ringen.
MÜNCHEN taz Auf dem Gang grinst der Landesvorsitzende der Freien Wähler, Hubert Aiwanger, und meint: "Vor vier Monaten hätte ich nicht im Traum gedacht, dass wir einmal bei der Europawahl antreten."
Drinnen, im Plenarsaal des Bayerischen Landtags, wird gelästert. Thomas Zimmermann lehnt sich auf das Rednerpult, ein gestandener CSUler mit Trachtenjoppe. Er freue sich sehr über die neuen Fraktionen im Landtag, die FDP und die Freien Wähler, grummelt Zimmermann. Die eine sei "eine demokratisch legitimierte Partei", die andere "mehr ein Wahlverein".
Was man bei der CSU nur ungern zugibt: Mit den Neulingen von den Freien Wählern hat die Partei mehr Mühe als erwartet. Es ist nun mehr als 100 Tage her, dass die bis dahin nur kommunal erfolgreichen Freien Wähler mit sensationellen 10,2 Prozent in den Landtag einzogen. Ihre Wähler rekrutierte die bürgerliche Gruppierung fast komplett aus enttäuschten CSU-Anhängern. Für viele Beobachter schien es nach der Wahl nur eine Frage von Wochen, dass die CSU die Freien Wähler so einbinden würde, dass ihre Eigenständigkeit kaum mehr sichtbar wäre.
Doch die Umfragen sehen die Freien Wähler stabil bei 10 Prozent. Und nun bringt Landeschef Aiwanger die Freien Wähler auch dort in Stellung, wo der CSU wirklich wehtut: bei der Europawahl. Dort kämpft die CSU im Moment darum, in Bayern die nötigen Stimmen für den Sprung über die bundesweite Fünfprozenthürde zu schaffen. Der einzige Lichtblick der Unionsstrategen war bislang die Gewissheit, dass anders als beim Debakel der Landtagswahl die Freien Wähler ihnen keine Stimmen wegnehmen würden.
Ende Januar hat sich nun eine Bundeswählergruppe Freie Wähler Deutschland gegründet. Ziel der Gruppe sind offiziell "die Kandidatur zur Europawahl und die politische Meinungsbildung auf Bundesebene". Wann immer er derzeit bei den Wählern unterwegs sei, sagt Aiwanger, kämen diese mit dem Wunsch zu ihm, die Freien Wähler sollten auch über Landesebene hinaus antreten. "Die Menschen fragen uns: Wen sollen wir wählen, wenn ihr nicht antretet? Diesem Rufen können wir uns nicht verschließen." Das sei ein Novum, dass die Kandidatur einer Gruppierung so von der Bevölkerung gefordert werde, findet Aiwanger. Er genießt den Druck den er so auf die Union ausüben kann.
Bei der Bundespräsidentenwahl würden die Stimmen der Freien Wähler ausreichen, um die Wiederwahl von Horst Köhler zu gefährden. Als Aiwanger vor wenigen Tagen ankündigte, sich auch mit der SPD-Kandidatin Gesine Schwan zu treffen, reagierten Union und FDP gereizt. FDP-Chef Guido Westerwelle fand, dass sei ein "mieser Wortbruch". Schließlich hätten die Freien Wähler im Wahlkampf stets versprochen, Köhler zu wählen. "Es kann uns niemand verbieten, mit Frau Schwan zu reden", meint Aiwanger und lacht.
Während die Freien Wähler im Bund selbstbewusst auftreten, ist die Schnittmenge mit der CSU im Regionalen groß. Die Fraktion konnte sich bisher mit einem eigenen Antrag durchsetzen. Es ging um die Besteuerung von Diesel. Die CSU stimmte zu. Und nachdem CSU-Chef Horst Seehofer seine Regierungserklärung vorgetragen hatte, stellte sich Aiwanger ans Rednerpult und sagte: Im Grunde könne er das, was Seehofer plant, nur unterstützen. Am Ende stand der Ministerpräsident auf und schüttelte Aiwanger vor dem versammelten Landtag die Hand.
BERNHARD HÜBNER
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