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Antje Lang-Lendorff hat sich den Fragebogen zum Myfest angeschautEinstieg zum Ausstieg aus der Party

Hauptsache, es knallt: Auf dem Bürgersteig füllen sich ein paar junge Leute mit einem Schlauch gegenseitig ab. Hinter ihnen lässt sich das Partyvolk die Skalitzer Straße heruntertreiben, viele tragen Sonnenbrillen und Bierflaschen. Im benachbarten Görlitzer Park wummern die Bässe. Mitten im Gewimmel stehen die Grünen an ihrem Stand und sehen etwas ratlos aus: Hier über Politik reden zu wollen dürfte ziemlich aussichtslos sein.

Diese Szene, zu beobachten am 1. Mai dieses Jahres, spiegelt ganz gut den Charakter des Myfests wider: Die Veranstaltung, die ursprünglich zur Befriedung des 1. Mai und als Fest für die Nachbarschaft geplant war, hat sich längst zu einer großen Saufparty entwickelt. Viele KreuzbergerInnen sind schwer genervt von der Sause. Und auch Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) äußerte sich kritisch über den Lärm und den Dreck.

Wie aber rauskommen aus der Nummer, ohne einen Aufschrei der Feierfreudigen zu provozieren, als Spaßbremse oder grüne Verbotspartei dazustehen?

„Beschwerden ohne Ende“

Eine Lösung leitet der Bezirk womöglich gerade in die Wege: 5.000 Haushalte und Gewerbetreibende in Kreuzberg 36 erhalten in diesen Tagen einen Fragebogen per Post. Dort sollen sie das Myfest und die Party im Görlitzer Park beurteilen: Gefallen ihnen die Veranstaltungen? Haben sie den Eindruck, dass die Feste einen politischen Charakter haben? Und vor allem: Sollten die Partys ihrer Meinung nach weiter stattfinden?

Rund um den 1. Mai habe das Bezirks­amt „ohne Ende Mails mit Beschwerden bekommen“, sagte Bezirkssprecherin Sara Lühmann am Dienstag. Anhand der Befragungen wolle das Bezirksamt nun herausfinden, ob die KritikerInnen tatsächlich in der Mehrheit sind – oder ob sie sich nur besonders aktiv zu Wort melden. „Wir wollen die Ergebnisse nutzen, um gegebenenfalls Änderungen am Konzept vorzunehmen“, sagte Lühmann. Die müsse man nun aber erst mal abwarten.

Ein geschicktes Vorgehen: Sollten sich die meisten AnwohnerInnen über die Party vor der Tür – wie zu erwarten – vor allem ärgern, müsste das Bezirksamt ja geradezu tätig werden, so ein basisdemokratisches Votum könnten die Grünen nicht einfach ignorieren. Die Befragung wäre somit der Einstieg zum Ausstieg: Wenn Herrmann und Co die Party am 1. Mai tatsächlich eindämmen oder gar abblasen, hätten sie dafür die nötige Legitimation. Wie man viele Tausende Feierwütige allerdings davon abhalten will, trotzdem nach Kreuzberg zu kommen, steht noch mal auf einem anderen Blatt.

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