Antiziganismus in Berlin: Die Diskriminierung nimmt zu

Banken, Jobcenter, Kita – Sinti und Roma werden in Berlin massiv benachteiligt. Das zeigen neue Zahlen des Vereins Amaro Foro.

Roma-Protest gegen Diskriminierung in Berlin Foto: dpa

In einer Kita legen Erzieher:innen einen Ordner mit der Beschriftung „Roma-Kinder“ an. In einer Bank verweigert ein Angestellter einer Rumänin die gesetzlich garantierte Kontoeröffnung. In einer Willkommensklasse sagt eine Lehrerin zu ihrer Kollegin: „Wenn ich diese Zigeuner bei mir in der Klasse habe, muss ich das Fenster öffnen und lüften, denn sie stinken.“

Alle diese Vorfälle haben sich im Berlin des Jahres 2017 ereignet. Alle sind, was in der Fachsprache „Antiziganismus“ genannt wird: eine spezielle Form des Rassismus gegenüber Sinti und Roma. Antiziganismus bedient sich dabei vor allem negativer Stereotype, die Sinti und Roma verallgemeinernd als Kriminelle, Wohnungslose oder Sozialbetrüger:innen verurteilen.

Der Verein Amaro Foro, ein interkultureller Jugendverband von Roma und Nicht-Roma, hat die Fälle von Antiziganismus in Berlin nun zum vierten Mal in Folge dokumentiert. 252 waren es im Jahr 2017. 51 Vorfälle betreffen diskriminierende Medienberichte, 34 sind Beiträge aus sozialen Medien. Die meisten Vorfälle wurden Amaro Foro direkt von Betroffenen, Sozialarbeiter:innen und Ehrenamtlichen gemeldet – insgesamt 167. Im Vergleich zum Vorjahr (2016: 146 Vorfälle) ist dies ein Anstieg um 14 Prozent.

„Diese Zahl ist jedoch nicht repräsentativ“, erklärt Diana Botescu, die Koordinatorin des Dokumentationsprojekts, am Montag. „Wir gehen davon aus, dass die Dunkelziffer sehr viel höher ist.“ Dass sich nicht weitere Betroffene meldeten, ist laut Botes­cu meist auf die Angst der Opfer vor weiterer Diskriminierung zurückzuführen.

Auch bei medizinischer Versorgung

Laut Amaro Foro ereigneten sich die meisten der im Jahr 2017 gemeldeten Vorfälle im Kontakt mit Leistungsbehörden wie dem Jobcenter, im öffentlichen Raum oder in Bildungseinrichtungen. Andere betreffen die Arbeitswelt, den Zugang zum Wohnungsmarkt, Kontakt zu Ordnungs- und Justizbehörden sowie den Zugang zu medizinischer Versorgung.

Für 2017 wurden zudem erstmals die Facebook-Auftritte sämtlicher Berliner AfD- und NPD-Bezirksverbände sowie der AfD-Fraktion im Abgeordnetenhaus ausgewertet. Das Ergebnis: 80 Prozent der über 1.000 Äußerungen in Kommentarspalten unter Medienbeiträgen stufte Amaro Foro als rassistisch und sozialchauvinistisch ein.

Diana Botescu, Amaro Foro

„Wir gehen davon aus, dass die Dunkel-

ziffer viel höher ist“

Bei den geteilten Beiträgen von AfD und NPD dominierten vor allem die Themen Wohnungslosigkeit und Kriminalität. So rief die NPD in einem Beitrag über obdachlose Roma in Pankow dazu auf, dort mit einer „nationalen Streife“ zu patrouillieren, um auf „das Zigeunerproblem aufmerksam zu machen“.

„Wenn man nur diesen Accounts folgt, muss man den Eindruck haben, dass hier alle fünf Minuten ein furchtbares Verbrechen passiert“, sagt Andrea Wierich, Pressesprecherin von Amaro Foro. In der ­Berichterstattung Berliner Medien erkennt man laut Wierich allerdings einen leichten ­Rückgang diskriminierender Formulierungen. Häufiger komme es dafür vor, dass man sich gängiger Klischees bediene. So ist in einer Tagesspiegel-Reportage etwa von einer Roma-Frau zu lesen, die „eine von denen ist“, die nach Nordeuropa kämen mit dem Wunsch „nach verdientem oder auch unverdientem Geld“.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.