Antisemitismusvorwurf gegen Assange: Von Wikileaks zu Wikilügs?
Julian Assange soll sich über "eine jüdische Verschwörung" gegen ihn beklagt haben. Das behauptet jedenfalls der Chefredakteur der britischen Satirezeitschrift "Private Eye".
STOCKHOLM taz | Hat Wikileaks-Mitbegründer Julian Assange in einem Telefonat mit dem britischen Journalisten Ian Hislop über eine "jüdische Verschwörung" gegen sich gesprochen? Hislop, Chefredakteur der Satirezeitschrift Private Eye, erhebt diesen schwerwiegenden Vorwurf.
Assange dementierte umgehend: Zwar habe es ein Telefongespräch gegeben, Hislop habe den Inhalt aber "verfälscht, erfunden oder er erinnert sich falsch". Weder im Wortlaut noch sinngemäß sei von "jüdischer Verschwörung" die Rede gewesen, beteuert Assange. Irgendjemand lügt also.
Laut Hislop hatte Assange sich über den Private-Eye-Artikel "Assanges Moscow Mule" beschwert, in dem das Blatt Israel Shamir, einen umstrittenen russischen Verbindungsmann von Wikileaks (taz vom 17. 1. 2011), als Antisemiten und KGB-Anhänger porträtierte. Assange habe die Charakterisierung Shamirs als Holocaust-Leugner kritisiert. Der Artikel sei Teil einer Kampagne jüdischer Journalisten gegen ihn. Wobei Assange noch zwei Journalisten des Guardian und einen der Meinungsfreiheitsorganisation "Index on Censorship" genannt haben soll.
Den wahren Gesprächsverlauf kennen nur die Beteiligten. Dennoch verwundert das offene Engagement von Assange für Shamir. Antisemitismusvorwürfe werden gegen diesen Verbindungsmann zwischen Wikileaks und russischen Medien schon seit Monaten erhoben. Wikileaks hatte nie öffentlich reagiert. Nach dem Private-Eye-Artikel griff nun Assange nicht nur zum Telefon.
Via Twitter wird jetzt bestritten, dass Shamir ein Mitarbeiter sei und gleichzeitig bestätigt, dass dieser privilegierten Zugriff auf Russland-relevantes Wikileaks-Material hatte. Wikileaks geht nun sogar einen Schritt weiter und verteidigt Shamir als eine Person, die "für BBC, Haaretz und viele andere angesehene Organisationen gearbeitet habe". Zu den Antisemitismusvorwürfen - kein Wort.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Nordkoreas Soldaten in Russland
Kim Jong Un liefert Kanonenfutter