Antisemitismus beim Halleschen FC: Ligaweiter Konflikt droht
In den von antisemitischen Fans des HFC durch "Juden-Jena"-Rufe ausgelösten Skandal schaltet sich nun der DFB ein. Es droht ein ligaweiter Konflikt.
BERLIN taz Rainer Koch ist als diplomatischer Funktionär bekannt, doch in diesem Fall muss selbst er sich um eine gemäßigte Wortwahl bemühen. "Wie der Hallesche FC gegenüber den Sportrichtern auftritt, ist nicht akzeptabel." Der Jurist ist Vizepräsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), zuständig für Rechts- und Satzungsfragen. Gewöhnlich mischt sich der DFB nicht in regionale Angelegenheiten ein, doch diesmal blieb ihm keine andere Wahl. Koch wollte dem Halleschen FC am Dienstag ein Fax schicken, in dem er um mehr Respekt und einen sachlicheren Umgang bat. Das hat es bislang selten gegeben.
Was war passiert? Im Heimspiel der Oberliga Süd gegen die zweite Mannschaft des FC Carl Zeiss Jena (1:1) vor zweieinhalb Wochen hatten Hallenser Fans die gegnerischen Anhänger wiederholt als "Juden Jena" beschimpft (s. Mehr zum Thema). Der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) hatte die Rufe aufgezeichnet, auch Jenaer Spieler und Offizielle bestätigten die antisemitischen Tiraden. Das Sportgericht des Nordostdeutschen Fußballverbandes (NOFV) verurteilte den HFC zu einem Dreipunkteabzug. Zudem durften im Heimspiel gegen Meuselwitz nur 1.000 Zuschauer ins Stadion. Auch Carl Zeiss wurde bestraft: Weil dessen Verantwortliche dem Schiedsrichter nicht auf die Sprünge geholfen haben, wurden 500 Euro fällig.
Der HFC ging in Berufung - und gegen den NOFV in die Offensive. Klubpräsident Michael Schädlich, sein Stellvertreter Jörg Sitte und Kühne drohten mit Rücktritt. Auf der Internetseite des Vereins wird der NOFV als "konzeptionslos, opportunistisch und inkompetent" bezeichnet. Er habe unter medialem Druck ein im Vorfeld feststehendes Schandurteil aussprechen lassen, "welches ohne Schuldnachweis an unserem Verein ein Exempel statuieren soll". Den Spielern wurde ein Medienboykott auferlegt, einige Fans pöbelten während des Auswärtsspiels bei Sachsen Leipzig gegen den MDR.
Der NOFV will dagegen erst das Berufungsverfahren abwarten, Geschäftsführer Holger Fuchs wollte auf Anfrage keine Aussage treffen. Es ist davon auszugehen, dass DFB und NOFV sich diese Art der Einschüchterung nicht gefallen lassen werden. In Funktionärskreisen wird von weiteren Sanktionen gesprochen. Sonst könnte der Verband Glaubwürdigkeit verlieren, schließlich hatte er nach früheren Fällen wie nach den körperlichen Angriffen von Hallenser Fans gegenüber dem nigerianischen Spieler Ogungbure Anfang 2006 eine klare Haltung vermissen lassen.
Nun droht ein ligaweiter Konflikt. Am Wochenende veröffentlichte der HFC einen Brief von Uwe Täschner auf seiner Internetseite, dem Präsidenten des VFC Plauen. "Es kann nicht sein, dass ehrenamtliche Vorstände kriminalisiert werden, um das Gewissen einiger Verbandsverantwortlichen zu beruhigen", schreibt Täschner. "Vielleicht sollten einige oder besser alle Präsidenten der Oberligavereine ihr Amt für vier Wochen ruhen lassen, um gegen dieses Urteil zu protestieren, da hier wiederum nicht die Täter, sondern der Fußball und das Ehrenamt bestraft werden." DFB-Vizepräsident Koch wehrt sich gegen diese gängigen Reflexe, die schon in Dresden oder Leipzig zu beobachten waren: "Sport und Gesellschaft dürfen nicht getrennt werden. Wir müssen die Vereine für ihre Fans in Haftung nehmen."
Auch die Staatsanwaltschaft Halle ermittelte, leitete jedoch keine Anklage ein. Deren Sprecher Klaus Wiechmann stellte sich vor die Kameras und erklärte, die Formulierung "Juden Jena" sei strafrechtlich irrelevant. Diese Äußerungen wertete sogar der Rechtsausschuss des Bundestages als unsensibel, sie könnten von einigen Fans als Freibrief für Antisemitismus angesehen werden. Angesichts des kollektiven Starrsinns ging es fast unter, dass das sozialpädagogische Fanprojekt Halle von nur anderthalb Planstellen organisiert wird.
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