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Antisemitismus-StreitMüller ist doch kein Antisemit

Nach einem Gespräch mit dem Zentralrat der Juden distanziert sich Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller von der anti-israelischen BDS-Kampagne.

Will Michael Müller künftig verbieten: die jährliche Al-Quds-Demo in Berlin. Foto: dpa

Mit scharfen Worten hat sich Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) von der auch in Berlin tätigen internationalen BDS-Kampagne distanziert, die zum Boykott israelischer Produkte aufruft. Auch der antiisraelischen Al-Quds-Demo, die jährlich in Berlin stattfindet, sagte Müller den Kampf an. Er werde „gegen den hassgesteuerten Al-Quds-Marsch“ alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, heißt es in der Pressemitteilung der Senatskanzlei vom Mittwoch: „Am besten ist ein Verbot.“ Der BDS, die „mit antisemitischen Schildern vor Berliner Geschäften“ stehe, attestiert Müller „Methoden aus der Nazizeit“. Er werde „alles Mögliche tun, BDS Räume und Gelder für seine anti-israelische Hetze zu entziehen“.

Zuvor hatte Müller sich mit dem Vorsitzenden des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, getroffen. Anlass war die Ankündigung des in Los Angeles ansässigen Simon-Wiesenthal-Centers, Berlins Bürgermeister in die jährlich von dem Zentrum veröffentlichte Liste der zehn weltweit größten antisemitischen oder antiisraelischen Vorfälle aufzunehmen. Das Center hatte dies damit begründet, dass sich Müller nicht zu einem Boykottaufruf der BDS („Boykott, Desinvestitionen, Sanktionen“) gegen das Berliner Pop-Kultur-Festival im August geäußert hatte. BDS hatte an Künstler appelliert, ihre Auftritte dort abzusagen, weil sich die israelische Botschaft an Reisekosten für jüdische Künstler beteiligt hatte. Mehrere arabische KünstlerInnen sagten daraufhin ihre Teilnahme ab. Zudem kritisierte das Wiesenthal-Zentrum, dass Berlin die Al-Quds-Demonstration nicht verbietet.

„Widerwärtige Kampagne“

In der auch für Religion zuständigen Kulturverwaltung des Berliner Senats nahm man Müllers späte Reaktion mit sachter Verwunderung auf. Kultursenator Klaus Lederer (Linke) hatte bereits im August die BDS-Kampagne gegen das Festival scharf verurteilt: Sie verwende „klassische antisemitische Argumentationsmuster“ mit dem Ziel, Israel zu „dämonisieren“. Lederer habe diese „widerwärtige Kampagne“ damals im Namen des kompletten Senats und damit auch des Regierenden Bürgermeisters kritisiert, hieß es auf taz-Anfrage am Donnerstag aus der Pressestelle des Kultursenators: Es sei deshalb „absurd“, dem Regierenden Bürgermeister Antisemitismus zu unterstellen.

Die CDU begrüßt Müllers Schritt. Die Freundschaft zwischen Israel und Deutschland sei eine ganz besondere, sagte Fraktionssprecher Florian Graf der taz: „Deshalb lehnen wir alle anti-israelischen Gruppierungen ab.“ Er hätte sich eine solche Reaktion „bereits früher gewünscht“, so Graf: „Wir müssen diese radikalen Bewegungen schon viel früher bekämpfen.“

Auch der Zentralratsvorsitzende begrüßte am Mittwoch die Distanzierung als „überaus positives Signal“. Nach der Ankündigung durch das Wiesenthal-Center hatte er Müller zunächst in Schutz genommen: Es sei „grotesk, den Regierenden Bürgermeister von Berlin in eine Reihe mit dem ehemaligen iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad zu stellen“, so Schuster Ende August. (mit epd)

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10 Kommentare

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  • Sehr informativ ist hierzu dieser Artikel im Tagesspiegel: http://www.tagesspiegel.de/berlin/mueller-und-das-wiesenthal-zentrum-hat-berlins-spd-ein-antisemitismus-problem/20295854.html

     

    Leider scheint es so zu sein, dass viele politisch aktive Muslime, die die SPD gerne ins Boot holen möchte, in hohem Maß antisemitismusaffin sind. Ich hoffe, dass die SPD es schafft, hier eine klare rote Linie zu setzen.

    • @kdw59:

      Oder die SPD revidiert ihre Nahost-Position. Sigmar Gabriel ist ja im Grunde offen für einen Kurswechsel: http://www.taz.de/!5098222/

      Seinerzeit wurde auch er eingenordet.

      Die erfreuliche Zuwanderung könnte jedoch neuen Schwung in die Angelegenheit bringen.

  • Auch mich ärgert die momentane enorme Stimmungsmache gegen Linksradikale. Aber die BDS-Kampagne ist alles andere als links (bzw. auch wenn sie sich als links versteht, wird sie zu recht kritisiert und verhindert). Sie ist einfach nur antisemitisch (ganz klare Dämonisierung, Feindbildkonstruktion etc.). Kritik an der Politik Israels: ja bitte. Aber ein Boykott ALLER Güter, des gesamten kulturellen und wissenschaftlichen Austauschs? Völlig daneben. Was ist das anderes als ein "Kauft nicht bei Juden"?! Die Behauptung Israel sei ein Apartheisstaat? Völlig falsch. Dort gibt es Rassismus, das steht außer Zweifel, aber dies ist eine Verharmlosung der Zustände in Südafrika.

    • @Maxi Mum:

      komisch. etliche südafrikaner*innen sehen das anders.

      wird wohl daran liegen, dass sie südafrikanische apartheid am eigenen leib erfahren haben...

  • welch eine posse!

  • Passt ins Bild:

    Der Kampf gegen alles Linke wird auf Verlangen geführt.

    Auch der SPD-Regierende ist nun eingenordet worden.

    • @Linksman:

      ".. wird auf Verlangen geführt." Soso. Wenn das man nicht eine antisemitische Verschwörungstheorie ist.. SPD als Marionette einer einflussreichen Lobby. Ekelhaft.

    • @Linksman:

      Sind islamistische Fanatiker in Ihren Augen Linke?

    • @Linksman:

      Links ist es, gegen den Judenhass der Mullas vorzugehen und nicht zu dulden, dass das "Kauft nicht bei Juden" fortgesetzt wird.