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Antipiraten-Mission „Atalanta“Bundeswehr soll Strand beschießen

Die Bundeswehr soll Piraten aus Somalia auch ins Landesinnere verfolgen dürfen. Das Kabinett beschloss eine Auswetung des Einsatzes. Die Angriffe sollen von Hubschraubern geflogen werden.

Piraten an der Küste Somalias – bewacht von einem somalischen Soldaten. Bild: dpa

BERLIN dpa | Die Bundeswehr wird Piraten aus Somalia künftig auch ins Landesinnere verfolgen dürfen. Das Bundeskabinett beschloss dazu am Mittwoch eine deutliche Ausweitung des Einsatzes am Horn von Afrika. In Zukunft sind in einem bis zu zwei Kilometer breiten Küstenstreifen auch Luftangriffe auf Stellungen der Seeräuber möglich. Ein Einsatz am Boden bleibt – bis auf Notfälle – tabu. Im Bundestag wird mit einer klaren Mehrheit gerechnet, die Opposition will das neue Mandat allerdings nicht mittragen.

„Deutsche Einsatzkräfte dürfen bis zu einer Tiefe von maximal 2.000 Metern gegen logistische Einrichtungen der Piraten am Strand vorgehen“, heißt es im neuen Mandat. Gemeint damit sind vor allem an Land geschleppte Boote und Materiallager. Die Angriffe sollen von Hubschraubern geflogen werden, die auf Schiffen der internationalen Truppe stationiert sind. An der europäischen „Atalanta“-Mission beteiligen sich auch zahlreiche anderen Nationen.

Am Boden dürfen Bundeswehr-Soldaten laut Mandatstext nur im Notfall eingesetzt werden – beispielsweise, wenn ein Hubschrauber abgeschossen wurde und die Besatzung gerettet werden muss. Trotzdem will die Opposition der Mission nicht mehr zustimmen, weil sie die Risiken nun für zu groß hält. Bislang hatten SPD und Grüne den „Atalanta“-Einsatz mitgetragen.

Der Bundestag wird vermutlich am 11. Mai über das neue Mandat entscheiden. Wegen der klaren Mehrheit der schwarz-gelben Koalition gilt eine Zustimmung als sicher. Aus Deutschland beteiligt sich an der Mission derzeit die „Berlin“, das größte Schiff der Marine mit etwa 230 Mann Besatzung. Im nächsten Monat soll sie von der "Bremen" abgelöst werden, die ebenfalls zwei Hubschrauber an Bord hat.

„Sinnloses Abenteuer“

SPD-Fraktionsvize Gernot Erler bezeichnete den Kabinettsbeschluss als „Scheinlösung“, die viele Risiken für Soldaten und Zivilisten mit sich bringen werde. Der Grünen-Verteidigungsexperte Omid Nouripour warnte davor, die Bundeswehr in ein „sinnloses Abenteuer“ zu schicken. Der Linken-Abgeordnete Paul Schäfer nannte die Regierungspläne eine „hilflose Fortsetzung des bisherigen Mandats“.

In der Bundeswehr sorgt für Verwunderung, dass der Mandatstext mit 2000 Metern die genaue Breite des Einsatzgebiets an Land definiert. Darauf könnten sich die Piraten mit ihrer Logistik einstellen, heißt es. Der Operationsplan der EU, der ebenfalls die Breite des Küstenstreifens enthalten soll, wird aus diesem Grund bisher geheim gehalten.

Der Einsatz – benannt nach einer Figur aus der griechischen Sagenwelt – läuft bereits seit Dezember 2008. Fünf bis zehn Kriegsschiffe überwachen dabei ein Gebiet, das etwa eineinhalb mal so groß ist wie das europäische Festland. Derzeit befinden sich nach inoffiziellen Angaben sieben Handelsschiffe und zwei Fischerboote mit insgesamt 215 Besatzungsmitgliedern in der Hand der Piraten.

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12 Kommentare

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  • MA
    M aus H

    Und jetzt eine kurze und vielleicht etwas naive Überlegung zur Bewaffnung der Piraten: Woher haben die die eigentlich? Deutschland ist ja ganz groß im Waffenexport-Geschäft. Wenn die Nachfrage da ist, ist auch das Angebot nicht weit. Der Gaddafi brauchte ein paar Geländewagen hier, ein paar Panzerabwehrraketen da. Kriegt er! Heute in der Tagesschau, der dritte Bericht nach Somalia: Schiff mit illegalen Waffenexporten aus Deutschland unterwegs nach Syrien. Die brauchten die eben auch. Sonst noch wer? Danach nimmt der Verteidigungsminister einen Batzen Geld in die Hand (natürlich aus Steuermitteln, klar) und nimmt den Gaddafis und Assads und anderen Piraten die Waffen wieder weg oder macht sie kaputt. Dann geht das Spiel von vorne los. Wer gewinnt? Wer sind die Dummen?

  • NM
    No mercy

    Zu dem Thema gab es ein nettes Pirat Shooting Video bei Spiegel Online vergangene Woche. Das ist die einzige Sprache, die die Jungs verstehen. Sonst haben wir bald in Hamburg noch mehr Piraten, die vom Steuerzahler auf ein Eis eingeladen werden wollen. In diesem Sinne: Feuer frei & keine Gefangenen.

  • P
    PeterPan

    @von tommy

     

    "ausschalten", "vernichten", ist Ihnen eigentlich klar, was Sie da schreiben? Es hat niemand behauptet, dass alle Probleme Afrikas aus Fremdeinwirkung resultieren würden. Weiterhin hat auch niemand behauptet, dass alle somalischen Piraten ihr Handwerk aufgäben, so es wieder genug Fische geben würde. Hiesige Hedgefonds geben Ihre, für die Volkswirtschaft schädlichen Praktiken ja auch nicht auf, selbst wenn noch so viel Mehrwert angehäuft wurde. Grundsätzlich verstehe ich Ihren Punkt. Nur erscheint mir Ihr Überlegenheitskonstrukt, was Sie persönlich aus dem Schlagwort Zivilsation ableiten dermaßen überheblich, dass ich mich wirklich Frage für was oder wen, Sie sich persönlich halten. Meinen Sie die zivilisatorische Ordnung, die sich am Dschungel Camp, pornografischen Darstellungen des bösen in Form von Herrn Breivik und öffentlich zur Schau gestellten Messies weidet? Ist es diese zivilisatorische Ordnung? Oder meinen Sie eher jene, in der mittlerweile 10 Prozent der Gesellschaft über 60 Prozent des gesamten Nettovermögens verfügen? Vielleicht meinen Sie auch die zivilisatorische Ordnung, die mittlerweile mit Hochdruck daran arbeitet, Ihre Bürger total gläsern zu machen, die Leute am besten bis 77 arbeiten lässt und die Kinder im Idealfall schon mit 3 Monaten in staatliche Obhut bringen lässt, damit sich die Eltern auch in aller Ruhe krumm buckeln können und ja keiner mehr auf die Idee kommt, so etwas wie eigenverantwortliches Familienleben zu etablieren? Ganz erhlich, ich Frage mich wirklich wie Sie auf ein so lächerliches Konstrukt wie Ihre so genannte "zivilisatorische Ordnung" kommen, um Ihre Lust an der Auslöschung zu rechtfertigen. Schreiben Sie doch einfach Ihre Meinung aber bitte verschonen Sie sich und uns mit Ihrer herrenmenschlichen Heuchelei. "Die zivilisatorische Ordnung!" Was haben wir gelacht....

  • H
    hesse

    @ tommy

    danke für die Aufklärung. Das war mir bis gerade nicht wirklich bewusst. Und ich möchte wetten, da bin ich nicht der Einzige. Das Erschreckende dabei ist, dass keiner danach fragt und es als ganz normales Vorgehen behandelt wird, dort für "Ordnung" zu sorgen.

     

    Dennoch wird es in Somalia doch irgendeine Art von Öffentlichkeit geben, die sich damit auseinandersetzt und entweder um Hilfe bittet oder eben versucht, dieses seltsame Gebaren zu unterbinden. Sei es das unsere oder das der sog. Piraten ;)

  • T
    tommy

    @hesse

     

    Ein unpassender Vergleich. In Somalia gibt es effektiv keinen Staat, dessen Souveränität verletzt werden könnte. Wenn die Somalier nicht in der Lage sind, einen funktionierenden Staat aufrechtzuerhalten, der das staatliche Gewaltmonopol aufrechterhält und die eigenen Bürger von Piraterie abhält, dann dürfen sie sich auch nicht beschweren, wenn andere Länder diese Aufgabe übernehmen.

  • T
    tommy

    @Peter pan

     

    Mag sein, dass das Treiben auswärtiger Fischereiflotten in afrikanischen Gewässern eingedämmt werden muss. Die mannigfaltigen Probleme Afrikas allein auf fremde Einflüsse zurückzuführen, halte ich aber für abwegig. Und mal ehrlich: Auch wenn die derzeitige Fischereipraxis geändert würde, glauben Sie ernsthaft, dass die Somalis dann freiwillig wieder zu einfachen Fischern würden und ihre lukrative Piraterie aufgeben würden? Nein, das werden sie nur aufgrund von repressiven Maßnahmen tun.

    Und was mir diese Piraten genommen haben? Persönlich nichts, sie gefährden aber die zivilisatorische Ordnung und müssen deshalb im allgemeinen Interesse ausgeschaltet werden.

  • TD
    Tom Doyle

    Da die Piraten in den letzten Wochen und auch nach der Saarland-Wahl drittstärkste Kraft in der Parteienlandschaft geworden sind in der Wählergunst fällt den anderen `etablierten Parteien` (Grüne, FDP und Konsorten) nix besseres ein als die Bundeswehr auf die jungen Menschen loszulassen. Wenn den etablierten Parteien keine Gegenargumente mehr einfallen um ihre `Parlamentspfründe` abzusichern hetzt man da gleich die Bundeswehr auf die Piraten? Sowas nennt sich Demokratie in Deutschland?

  • H
    hesse

    Jippieh! Alles für die Wirtschaft! Vergesst die Souveränität anderer Staaten...

     

    Was sagen eigentlich die Somalier dazu? Hat die mal jemand gefragt? Darüber liest und hört man garnichts.

     

    Man stelle sich das Szenario nur mal ganz kurz umgekehrt vor - Afrikanische Truppen gehen in Ostfriesland an Land und jagen Diebe, sprengen ein paar Bauernhäuser in die Luft weil man geheimdienstliche Informationen hat, die eindeutig darauf hinweisen, dass die bösen Jungs da drin seien. War dann vielleicht nur eine harmlose, arme Familie - aber die Häuser sehen auch alle so gleich aus und man musste ja handeln, denn sonst fallen Aktienkurse weil die Handelswege nicht mehr sicher sind... Sowas kann man den Aktionären schließlich nicht zumuten. Fantastisch!

  • P
    PeterPan

    @von tommy;@von D.J.:

     

    Ihnen ist schon klar, dass die Praxis europäischer Fischereiflotten fremde Hoheitsgewässer leer zu fischen ein etwas eigenartiges Rechtsverständnis offenbar werden lässt. Finden Sie nicht? Im übrigen spricht hier niemand von edlen Wilden. Wir sollten hier nur nicht Ursache und Wirkung vertauschen. Nur mal so als Frage am Rande, was ist Ihnen beiden denn schon persönlich von somalischen Piraten weggenommen worden?

  • K
    Krause

    tolles völkerrecht!

    was wir machen, werfen wir anderen vor!!!!!

    im namen der westlichen "demokratie"

     

    HEUTE 2 km , morgen 4, dann 16 , warum nicht gleich das ganze land besetzen!

     

    unsere Väter waren da schneller!

  • T
    tommy

    "Der Grünen-Verteidigungsexperte Omid Nouripour warnte davor, die Bundeswehr in ein „sinnloses Abenteuer“ zu schicken."

     

    Schwachsinn. Ein "sinnloses Abenteuer" ist der Afghanistan-Einsatz, den Rot-Grün begonnen hat, in der irren Hoffnung, Afghanistan durch Bau von Mädchenschulen und Graben von Brunnen bessern zu können (dabei ist dieses Land unreformierbar, wie man aus der Sowjeterfahrung leicht hätte wissen können). Die Sicherung von Handels- und Verkehrswegen ist hingegen eine sehr sinnvolle und für Exportland Deutschland wichtige Aufgabe. Nötig ist aber ein Aufgeben der mentalen Hemmschwellen. Piraten müssen wieder als das gesehen werden, was sie sind: Nicht arme, sozialarbeiterischer Maßnahmen bedürftiger Opfer, sondern Feinde jeder Zivilisation, die vernichtet werden müssen. China exekutiert Piraten - das müssen wir auch, denn es ist die einzige Sprache, die diese Barbaren verstehen.

  • D
    D.J.

    So, ich erwarte freudig die Kommentare derer, die die Piraten für arme Opfer halten - hätte es deren Auffassung schon im ersten Drittel des 19. Jh. gegeben, würde es immer noch von der südlichen Mittelmeerküste ausgehende mediterrane Piraterie geben mit allem was dazugehört (Sklavenmärkte). Jaja, ich weiß, das angebliche Leerfischen des Meere, Subsistenzpiraterie und so. Selbst wenn es stimmen sollte - nie gab es wieder so viele Fische wie heute vor der somalischen Küste. Der edle Wilde, der nie etwas aus reiner Habgier tut, ist eine alberne Chimäre, die auch etwas mit Rassismus zu tun hat.