Antifaschismus und Wahlkampf: Von Platz zu Platz
Am Gänsemarkt rief die Linkspartei gegen Krieg und Hartz IV auf. Auf dem Hachmannplatz nahe des Hauptbahnhofs demonstrierte unterdessen ein Bündnis gegen den NPD-Aufmarsch.
Die Sonne schien ohnehin, und die Freiheit nahmen sie sich: Die GenossInnen der Hamburger Linkspartei wahlkämpften am Freitagnachmittag um ihr Mandat für den Bundestag, das sie 2005 eher überraschend errangen und nun überzeugend verteidigen wollen. "Wir stehen als Einzige gegen die Konsenssoße der anderen Parteien", stellte Gaststar Gregor Gysi auf dem Gänsemarkt klar.
Für Mindestlohn, gegen die Rente mit 67 und natürlich gegen Hartz IV sind die innenpolitischen Hauptthemen der Linken in Hamburg wie im Bund, und da hat der kleine Mann mit der großen Eloquenz leichtes Spiel. Seine Forderungen, "raus aus Afghanistan, raus aus der Spirale der Gewalt", wird mit tosendem Applaus belohnt.
Zuvor hatte der Hamburger Spitzenkandidat Jan van Aken nachdrücklich die Stilllegung des Atommeilers Krümmel und aller anderen AKWs gefordert. "Sie werden nicht gebraucht", so van Aken, "wir haben genug Strom ohne Atom und auch ohne Kohle."
Auch könne "Terror nicht mit Terror bekämpft werden", stellte er klar. "Wir brauchen zivile Konfliktlösungen auf der Welt, keine Auslandseinsätze der Bundeswehr", forderte der EX-Biowaffeninspekteur der UN. "Denn Krieg kann keinen Frieden schaffen", so seine Überzeugung.
Das Publikum hielt sich auf der Wahlkampfveranstaltung der Linken in überschaubaren Grenzen. Was wohl auch daran lag, dass zeitgleich Antifaschisten einen Kilometer entfernt gegen den NPD-Aufmarsch am Berliner Tor demonstrierten. 500 mögen es auf dem Gänsemarkt gewesen sein, die aufgerufen wurden, sich nach der Kundgebung der Demo anzuschließen.
Auf dem Hachmannplatz bei der Demo des Bündnis gegen Rechts sind derweil - es ist Wahlkampf - so viele Fahnen von Grünen und SPD zu sehen wie selten auf einer antifaschistischen Kundgebung. 1.000 Menschen haben sich versammelt, um hinter dem Banner "Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen" gegen den NPD-Marsch am Abend zu demonstrieren.
Einhellig setzten sich die RednerInnen für ein Verbot der NPD ein. Solange dies nicht geschehe, habe sie "den Anschein von Legitimität", sagte Cornelia Kerth von der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes. Ähnlich sah das Andrea Schild vom Antifaschistischen Bündnis Bergedorf. Die NPD nutze den Wahlkampf als legale Partei, "um die Stadt mit Wahlkampfständen zu überziehen". Dabei sei es schon zu Übergriffen gekommen. Die Polizei, sagte sie, gehe jedoch vornehmlich gegen Antifaschisten vor - allein schon wegen der Kleidung und des Alters.
Der Landesvorsitzende der Gewerkschaft Ver.di Wolfgang Rose nannte es eine "Schande", dass Neonazis, von der Polizei geschützt, "in unserer Stadt aufmarschieren dürfen". Rose mahnte an, aus der Geschichte zu lernen und zusammen zu stehen. "Wir werden es nicht zulassen, dass wieder Bücher brennen und dann die Menschen." Ähnlich drückte das Probst Jürgen Bollmann von der nordelbischen Kirche aus. "Wir lassen uns nicht wieder im Kampf gegen Rechts lähmen", sagte er.
Diese Erfahrung hatte die 83-jährige Jüdin Steffi Wittenberg machen müssen. Sie könne sich noch an die Machtübernahme der Nazis 1933 erinnern, erzählte sie. 1939 sei sie dann nach Südamerika geflohen. "Wir ahnten, dass wir ermordet werden würden." Ihre Erinnerung an die "katastrophale Epoche" ging dabei Hand in Hand mit der Mahnung, dass die NPD in der Tradition der NSDAP stehe.
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