Anti-Islamisten scheitern in Köln: Kein Kölsch für Nazis
Der "Anti-Islamisierungskongress" endet für die Veranstalter in einem Debakel. Die Gruppierung "Pro Köln" hat sich so politisch ins Aus katapultiert.
Sein Scheitern erklären wollte "Pro Köln"-Fraktionsgeschäftsführer Manfred Rouhs noch während der eigenen Veranstaltung. Bundesweit sei gegen den "Anti-Islamisierungskongress" seiner selbst ernannten "Bürgerbewegung" mobilisiert worden, klagte der im bürgerlich grauen Anzug auftretende frühere NPD-Bundestagskandidat vor weniger als 50 Anhängern auf dem fußballfeldgroßen Kölner Heumarkt. Gewerkschaften und Parteien hätten "gewaltbereite Demonstranten" in die Domstadt geschafft, lautet Rouhs Legende. Mit politischen Inhalten habe das nur wenig zu tun: Schließlich spiele auch die kölsche Rockband BAP umsonst, und "Gulaschsuppe" sei für die Gegendemonstranten ebenfalls frei, beschwerte sich Rouhs - und bot seinen wenigen Unterstützern Milchbrötchen und Getränke an.
Rouhs ist mehr als gescheitert. Ein Debakel - nicht weniger erlebten die Rechtspopulisten von "Pro Köln" am Wochenende. Der im Vorfeld als "Großveranstaltung" angekündigte "Anti-Islamisierungskongress" - eigentlich eher eine Abfolge von Kundgebungen, Pressekonferenzen und Stadtrundfahrten, auf denen rechtsextreme Inhalte präsentiert werden sollten - ging am Wochenende in Aktionen und Blockaden zehntausender Gegendemonstranten unter. Die Polizei spricht von 15.000, die Veranstalter von bis zu 50.000 Menschen, die gegen "Pro Köln" protestierten.
Zwar hatte die Polizei den zwischen Dom und Rhein gelegenen Heumarkt bereits am frühen Samstagmorgen mit einer zweireihigen Kette abgeriegelt, hatte tausende Bereitschaftspolizisten aus Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Bayern und Thüringen zusammengezogen. Wer aber vor die von "Pro Köln" aufgebaute kleine Bühne, über dem die Forderung "Stop Islam" prangte, wollte, dem stellten sich mehrere tausend Blockierer in den Weg. Fast jeder, der auf den Heumarkt zusteuerte, musste schon vor den Polizeiabsperrungen eine Frage beantworten: "Bist du ein Nazi?"
Dabei fürchten die als Biedermänner auftretenden, mit 4,7 Prozent in den Stadtrat gewählten Rechtspopulisten von "Pro Köln" nichts mehr als eine auch nur optische Nähe zu den Neonazis und Skinheads, wie sie etwa die NPD unterstützen. Als ein Kahlrasierter auf dem Heumarkt die Reichskriegsflagge schwenkt, stürzt sofort ein Ordner heran. Er reißt dem Skinhead den Fetzen aus den Händen, rollt den Stoff sofort ein. "Idiot", schimpft er.
Zwar macht "Pro Köln" seit Jahren Stimmung gegen muslimische Einwanderer, warnt vor einer angeblich drohenden "Islamisierung" Europas, lehnt den Neubau einer Moschee in der Domstadt - in welcher Form auch immer - ab. Das übliche Krawallimage der Rechtsextremen aber stoße potenzielle Wähler nur ab, fürchten die "Pro Köln"-Funktionäre. "Martialische Auftritte schrecken den Bürger ab", heißt es etwa in der von Manfred Rouhs herausgegebenen Postille nation24.de. Nicht umsonst nennen die Kölner Rouhs spöttisch "Biedermanni".
Doch das bürgerliche Image ist dahin. Rouhs und Co, die bei den nordrhrein-westfälischen Kommunalwahlen als "Pro NRW" mobilisieren wollen, gelten mittlerweile weit über Köln hinaus als Verfassungsfeinde, als Rechtsextreme, als Neonazis. Möglich gemacht hat dies ein breites Bündnis aus Parteien und Gewerkschaften, Kirchen und Verbänden: Die Linke lehnt die "Pro"-Partei ebenso ab wie die CDU, die IG Metall ebenso wie die Industrie- und Handelskammer zu Köln.
Das Ergebnis ist vielfältiger Protest: Nicht einmal ein Bier bekommen die Rechtspopulisten mehr serviert. 200.000 Bierdeckel mit der Aufschrift "Kein Kölsch für Nazis" haben Altstadtwirte drucken lassen. Taxifahrer weigern sich, einschlägige Treffpunkte der Rechtsextremen anzufahren. Hotels, die unter falschen Namen angemietet wurden, setzen die ausländischen Gäste des "Anti-Islamisierungskongresses" vor die Tür.
Mit "Herzblut, Witz und Intelligenz" hätten sich die Kölnerinnen und Kölner "erfolgreich gegen rassistischen Schwachsinn gestemmt", lobt Kölns CDU-Oberbürgermeister Fritz Schramma. Die Kölnerinnen und Kölner hätten erkannt, dass sich hinter den Sprüchen der Rechtspopulisten "eine moderne Form des populistischen Faschismus" verbirgt, so Kölns IG-Metall-Chef Witich Roßmann, der die Gegendemo unter dem Motto "Wir stellen uns quer" organisiert hat, zur taz.
Verloren steht Rouhs am Samstagmittag deshalb auf seiner Bühne. Von der angekündigten Unterstützung anderer rechtspopulitischer Parteien ist nicht viel zu sehen: Lediglich Mario Borghezio, Europaabgeordneter der italienischen Lega Nord, hat es auf den Heumarkt geschafft, skandiert auf Französisch Parolen für ein "christliches Europa". Filip Dewinter, Fraktionsvorsitzender der belgischen Separatistenpartei Vlaams Belang, sitzt zusammen mit "Pro Köln"-Chef Markus Beisicht und knapp 150 Unterstützern am Kölner Flughafen fest. Demonstranten blockieren die S-Bahn-Gleise, und die Polizei will eine Weiterfahrt in die Innenstadt nicht absichern. Jean Marie Le Pen, groß angekündigter Vorsitzender der französischen Front National, hatte dagegen schon im Vorfeld eine Teilnahme dementieren lassen, und auch Heinz-Christian Strache von der rechtspopulistischen FPÖ machte lieber Wahlkampf im heimischen Österreich.
Trotzdem versuchen die Rechtspopulisten noch, die Gegendemonstranten mit einem über der Innenstadt kreisenden Flugzeug zu provozieren, das eine "Pro Köln"-Werbung hinter sich herzieht.
Dann kommt es zu vereinzelten Rangeleien mit Linksautonomen, die versuchen, Polizisten die Pistolen abzunehmen. Das Flugzeug wird von einem Polizeihubschrauber zur Landung gezwungen, Mülltonnen brennen. Die Einsatzleitung der Polizei, von "Pro Köln" seit Tagen schlecht informiert, verbietet daraufhin die Kundgebung der Rechtspopulisten. "Die Sicherheit der Kölnerinnen und Kölner", sagt Polizeipräsident Klaus Steffenhagen, "ist wichtiger."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel
Ende der scheinheiligen Zeit
Hilfe, es weihnachtete zu sehr