Anti-AKW-Aktivist: Axel Mayer befürwortete Atomkraft, dann stoppte er ein AKW
Als Lehrling war er einer der Besetzer der Baustelle im badischen Wyhl. Heute ist Axel Mayer 69 Jahre alt und zieht Bilanz, was sich verändert hat.
![Axel Mayer bei einer Demonstration: Er hält eine Schild hoch mit der Aufschrift: Amitie Franco-Allemande Axel Mayer bei einer Demonstration: Er hält eine Schild hoch mit der Aufschrift: Amitie Franco-Allemande](https://taz.de/picture/7537557/14/37699370-1.jpeg)
Der 18. Februar 1975 war kalt und die Männer und Frauen verzweifelt. Sie stellten sich, teils mit ihren Kindern, vor Baumaschinen, sodass diese stoppen mussten. Einer von ihnen war Axel Mayer, damals noch Teenager. Sein Ziel: den Bau eines AKW im badischen Wyhl zu verhindern. Der Plan ging auf.
Dabei hatte Axel Mayer ursprünglich gar nichts gegen die Atomkraft. „Der Walt-Disney-Film ‚Unser Freund das Atom‘ hat mich geprägt.“ Dieser erzählt die Geschichte des Atoms wie in „1001 Nacht“: So wie Aladin den Dämon aus der Lampe befreit und sich zum Untertan macht, so haben die Wissenschaftler die Kraft des Atoms aus dem Uran befreit. „Ich war wie viele damals Atomkraftbefürworter.“
Allerdings engagierte sich Mayer gegen Umweltzerstörung. Der Lehrling des Vermessungswesens war auch auf der anderen Rheinseite dabei, im elsässischen Marckolsheim, wo eine deutsche Firma ein Bleichemiewerk bauen wollte. Um den toxischen Bleistaub zu verhindern, hatten Anwohner im Herbst zuvor den Bauplatz besetzt. Mehr als neun Tonnen Blei hätte die geplante Fabrik in Marckolsheim jährlich ausgestoßen – und das in einer Weinbauregion. „Bei der Besetzung habe ich zum ersten Mal gehört, dass das Atom eben doch kein Freund ist“, erinnert sich Mayer.
Als dann vor seiner Haustür das Atomkraftwerk gebaut werden sollte, besetzte er mit Gleichgesinnten den Bauplatz. „Als Lehrling konnte ich nicht die ganze Zeit da bleiben, ich musste ja arbeiten“, erinnert sich der heute 69-Jährige. Aber es waren immer so viele Leute da, dass die Polizei keine Chance hatte zu räumen. Zwar erklärte Baden-Württembergs Ministerpräsident Hans Filbinger, ohne das AKW würden im „Ländle die Lichter ausgehen“. Sein Nachfolger Lothar Späth legte die Baupläne später auf Eis – und dann endgültig zu den Akten.
Mayer nennt das breite Bündnis von Linken bis Konservativen als einen Grund für den Erfolg. In Wyhl habe es das gegeben, „was man heute ‚window of opportunity‘ nennt“. Spätere Besetzungen wie in Brokdorf scheiterten, weil die Polizei aus Einsätzen wie in Wyhl gelernt hat. „Bei uns stand der Wald beispielsweise noch: Die Polizei hatte weder mit ihren Hubschrauben noch mit Wasserwerfern eine Einsatzmöglichkeit.“
Mayer hat damals das Radio Dreyeckland gegründet, das älteste nicht-kommerzielle Radio Deutschlands. Und er hat aus seinem Protest einen Beruf gemacht: 30 Jahre war er Geschäftsführer des BUND in Freiburg.
„Es gab vor 50 Jahren noch Formen der Umweltvergiftung, die heute unvorstellbar sind – zumindest in Europa.“ Flüsse seien stinkende Kloaken gewesen, Kinder in der Umgebung von Industrieanlagen litten an Pseudokrupp, und die Schweiz versenkte ihren Atommüll im Meer. Aber die Bauplatzbesetzung in Wyhl sei eben auch der Beginn der westdeutschen Umweltbewegung gewesen.
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