Anschlagspläne: Behörden streiten über "Jihad Union"

Die Generalbundesanwältin und der Stuttgarter Verfassungsschutz sind uneins, ob es die "Islamische Jihad Union" gibt. Sie bekannte sich zu den Bomben im Sauerland.

Polizisten am Haus in Oberschledorn, wo drei Terrorverdächtige verhaftet wurden Bild: dpa

FREIBURG taz In seltener Offenheit zeigen die Sicherheitsbehörden derzeit, wie unsicher ihre Erkenntnisse über den islamistischen Terror sind. Anfang September wurden im Sauerland drei mutmaßliche Terroristen festgenommen. Fritz G., Daniel S. und Adem Y. sollen in einem Ferienhaus versucht haben, Sprengstoff herzustellen. Nach Ansicht der Bundesanwaltschaft wurden sie dabei im Auftrag der Islamischen Jihad Union (IJU) tätig. Das Stuttgarter Landesamt für Verfassungsschutz bezweifelt jedoch, dass es diese Gruppe überhaupt gibt.

Generalbundesanwältin Monika Harms lässt sich aber nicht beirren. Über ihre Pressestelle ließ sie ausrichten, nach bisherigen Erkenntnissen sei die IJU eine "existente Vereinigung", die ursprünglich aus Usbekistan stamme und "unter dem Einfluss von al-Qaida" ihren Wirkungskreis ausgeweitet habe. Man gehe auch weiter davon aus, dass das Bekennerschreiben der IJU, das rund eine Woche nach den Festnahmen im Internet auftauchte, "authentisch" sei.

Im taz-Interview hatte Benno Köpfer, der Islamismusexperte des Stuttgarter Verfassungsschutzes, beides bezweifelt. Von der IJU gebe es bisher "nur einige wenige Lebenszeichen im Internet". Das Bekennerschreiben der IJU zu den Anschlagsvorbereitungen könne auch von Trittbrettfahrern stammen, weil es nur Informationen aus den Medien enthielt.

In der ARD-Sendung "Monitor", die die Diskussion in Gang gebracht hatte, zweifelte am Mittwoch auch der ehemalige britische Botschafter in Usbekistan, Craig Murray, an der Existenz der IJU. Er meint, dass die ersten angeblichen Anschläge der IJU, die sich 2004 unter anderem gegen die israelische und die US-Botschaft in Usbekistan richteten, ein Werk des usbekischen Geheimdienstes waren, um die islamistische Bewegung im Land zu diskreditieren.

Die USA haben die IJU allerdings 2005 auf ihre Liste der terroristischen Vereinigungen gesetzt. Und es war auch der US-Geheimdienst, der Ende 2006 deutsche Sicherheitsbehörden vor Rückkehrern aus IJU-Terrorlagern warnte. Die Bundesanwaltschaft (BAW) stützte sich gestern auf Erkenntnisse des Gemeinsamen Internetzentrums von Polizei und Verfassungsschutz in Berlin. Sie wollte auf taz-Anfrage aber nicht sagen, ob es eigene Erkenntnisse der deutschen Dienste gibt oder ob diese sich nur auf US-Angaben stützen.

Damit scheint unter den Sicherheitsbehörden ein echter Dissens zu bestehen. Der baden-württembergische Verfassungsschutz ist in Islamismus-Fragen jedoch sehr ernst zu nehmen, weil er die längste Erfahrung hat und früh auf wissenschaftlichen Sachverstand setzte.

Dass Fritz G. und seine Kumpane einen Anschlag vorbereitet haben, bezweifelt aber auch der Stuttgarter Verfassungsschutz nicht. Sie könnten deshalb in Deutschland auf jeden Fall wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung verurteilt werden. Die BAW ist bisher zweigleisig gefahren. Einerseits warf sie den Verhafteten die Mitgliedschaft in der IJU vor, andererseits die Gründung einer eigenen Terrorzelle.

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