Anschlag in Kaschmir: Indus-Wasser als Waffe
Nach dem mutmaßlichen Terroranschlag in Kaschmir droht Indien Pakistan mit dem Stopp eines Wasserabkommens. Pakistanische Bürger werden ausgewiesen.

„Bis ans Ende der Welt“ will Indiens Premierminister Narendra Modi die Verantwortlichen für den mutmaßlichen Terroranschlag in Kaschmir verfolgen lassen. „Ich sage der ganzen Welt: Indien wird jeden Terroristen und seine Unterstützer identifizieren, verfolgen und bestrafen“, sagte der 74-Jährige in einer Rede am Donnerstag.
Kurz darauf ordnete Indien die Ausreise aller pakistanischen Bürger:innen an. Die indische Regierung macht Pakistan für den Anschlag in der Himalajaregion verantwortlich. Zuvor war bereits das wichtige Wasserabkommen mit dem verfeindeten Nachbarland ausgesetzt worden.
Am Dienstag waren nahe dem Touristenort Pahalgam im indisch kontrollierten Teil Kaschmirs 26 Männer von Unbekannten getötet worden. Diese hielten sich auf der sogenannten Baisaran-Wiese, einer lokalen Sehenswürdigkeit, auf, als bewaffnete Angreifer das Feuer auf sie eröffneten. Nach Angaben der indischen Polizei handelt es sich bei 24 von ihnen um indische Tourist:innen, außerdem sollen sich ein Nepalese und ein örtlicher Fremdenführer unter den Opfern befinden. Die mutmaßlichen Tätern sind flüchtig.
Laut Vikram Misri, Staatssekretär im indischen Außenministerium, sind „grenzüberschreitende Verbindungen“ der Täter nach Pakistan festgestellt worden. Indien suspendierte daraufhin den 1960 von der Weltbank vermittelten Indus-Wasservertrag mit dem Nachbarland, der die gemeinsame Nutzung des großen Stroms regelt.
Das Wasser aus dem Indus ist besonders für die pakistanische Landwirtschaft von großer Bedeutung. Zwei Kriege zwischen den heutigen Atommächten in den Jahren 1965 und 1971 hatte der Vertrag überlebt. Pakistan wirft Indien vor, den Terrorangriff nun als Vorwand zu nutzen, um die Vereinbarung zu beenden.
Die Regierung in Delhi will den Indus-Vertrag bereits seit Längerem neu verhandeln. Die Quelle des Indus liegt zwar in Tibet, der Strom fließt dann jedoch durch den indischen Teil Kaschmirs. Würde Indien kurzfristig beginnen den Strom umzuleiten, könnte das etwa bei einer Dürre, gravierende Folgen für die pakistanische Wasserversorgung haben. Laut Staatssekretär Misri gilt die Aussetzung, „bis Pakistan glaubwürdig und endgültig seine Unterstützung für grenzüberschreitenden Terrorismus einstellt“.
1.500 Personen vorübergehend festgenommen
Die indischen Behörden gehen derweil massiv gegen Verdächtige vor. 1.500 Personen waren am Mittwoch bereits vorübergehend festgenommen worden. Über die mutmaßlichen Täter weiß man bisher wenig. In den sozialen Medien bekannte sich die weitgehend unbekannte „The Resistance Front“ (TRF) zu den Angriffen. Doch konnte dies bisher nicht verifiziert werden. Die Gruppe behauptete, bei den Opfern habe es sich nicht um gewöhnliche Touristen gehandelt, sie hätten den indischen Sicherheitsbehörden nahegestanden.
Im mehrheitlich muslimischen Kaschmir kommt es immer wieder zu Aufständen, die ein unabhängiges Kaschmir oder den Anschluss an Pakistan fordern. Auch Pakistan beansprucht Teile des Gebiets.
Am Donnerstag ging Indien weitere Schritte: Der wichtigste Grenzübergang wurde geschlossen, etliche pakistanische Diplomaten ausgewiesen, ebenso alle pakistanischen Staatsbürger:innen. Sie müssten „Indien vor Ablauf der Visa verlassen“, erklärte das Außenministerium. Belege für eine Beteiligung Pakistans an dem Attenat in Kaschmir legte Indien bisher nicht vor.
„Akt des Krieges“
Pakistan wies als Gegenmaßnahme indische Diplomaten aus, annullierte ebenfalls Visa, schloss seinen Luftraum für indische Flugzeuge und setzte den Handel mit Indien aus. Pakistans Nationales Sicherheitskomitee erklärte, Islamabad werde einen Stopp oder eine Umleitung des Indus-Wassers als „Akt des Krieges“ werten. Man werde dem Nachbarn nicht gestatten, die eigene „Souveränität, Sicherheit, Würde und unveräußerlichen Rechte“ zu verletzen.
Berichten der französischen Presseagentur AFP zufolge sei es derweil in mehreren indischen Regionen zu Feindseligkeiten und Einschüchterungen gegenüber kaschmirischen Studierenden gekommen. Sie seien als „Terroristen“ beschimpft und für die Angriffe verantwortlich gemacht worden.
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