Anschlag in Afghanistan: Detonation unter der Weste

Bei einem Selbstmordattentat in einer Moschee nahe Herat werden mindestens 18 Menschen getötet. Laut Berichten habe sich der IS zu der Tat bekannt.

Straßenszene in der Nähe des Tatorts eines Selbstmordanschlags in Herat/Afghanistan

In der Nähe des Tatorts eines Selbstmordanschlags in Herat Foto: Omid Haqjoo/AP

BERLIN taz | Maulawi Mudschib-ul-Rahman Ansari, ein prominenter Geistlicher und Taliban-Unterstützer, betrat kurz nach Mittag Ortszeit mit Anhängern und Bodyguards gerade den Vorhof der Gasargah-Moschee, um dort das Freitagsgebet zu leiten. Dann näherte sich ein Selbstmordattentäter der Gruppe und zündete seine Sprengstoffweste. Er tötete Ansari, dessen Bruder, mehrere Wachmänner und zahlreiche Umstehende.

So beschreiben Augenzeugen den Anschlag in dem Vorort der westafghanischen Großstadt Herat nahe der Grenze zu Iran. Nach offiziellen Angaben kamen insgesamt 18 Menschen ums Leben, 23 wurden verletzt. Dem exilafghanischen Nachrichtenportal Amu TV zufolge seien auch ein sieben- und ein 12-jähriges Kind unter den Verletzten. Örtliche Sicherheitsanalysten rechnen damit, dass die Opferzahl sich noch deutlich erhöhen könnte.

Kurz zuvor hatte der 38-jährige Ansari den für Wirtschaftsfragen zuständigen Taliban-Vizechef Mullah Abdul Ghani Baradar getroffen, der die Stadt besuchte. Die Berichte über den Anschlag erwähnten nicht, ob er ebenfalls an dem Gebet hatte teilnehmen wollen.

Laut dem in Dubai beheimateten Fernsehsender al-Arabiya bekannte sich der afghanische Ableger des Islamischen Staates (IS) zu dem Anschlag in Herat. Damit wäre er Teil einer landesweiten Serie, die sich gegen Geistliche und Gebetshäuser islamischer Strömungen richtet, die dem IS feindlich gegenüber stehen oder von ihm als Abweichler betrachtet werden.

Religiöser Abweichler

Dazu gehören Pro-Taliban-Geistliche der in Afghanistan vorherrschenden Hanafi-Schule des sunnitischen Islam, Schiiten und Sufis, Angehörige weit verbreiteter Strömungen eines mystischen Volksislams. Die Taliban kritisiert der IS wegen ihres Truppenabzugsabkommens mit den USA als religiöser Abweichler.

Zuletzt bekannte sich der IS im August zu einem Anschlag auf eine Sufi-Moschee in Kabul, davor im April auf eine auch von Sufis besuchte Moschee im nordafghanischen Kundus. Dabei wurden jeweils mehr als 20 Menschen ermordet, darunter prominente Geistliche.

Ebenfalls im April attackierten sie eine schiitische Moschee in Masar-e Scharif und eine schiitische Jungenschule in Kabul. Auch die Gusargah-Moschee ist Teil eines berühmten, aus dem 15. Jahrhundert stammenden Sufi-Schreins, der dem Herater Stadtheiligen Chodscha Abdullah Ansari gewidmet ist. Insgesamt wurden etwa 15 solcher Vorfälle registriert, aber der IS bekannte sich nur zu fünfen davon.

Aber auch die Taliban verfolgen IS-nahe Geistliche brutal. Im Juli berichtete die US-Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, dass zwischen August 2021 und April 2022 allein in einem trockengelegten Bewässerungskanal in der Ostprovinz Nangrahar die Leichen von über 100 salafistischen Geistlichen gefunden worden seien, die die Taliban als dem IS nahestehend oder dessen verdächtig betrachtet hätten.

Starker Zulauf

Ansari war bereits vor der erneuten Machtübernahme der Taliban im August vorigen Jahres durch seine scharfe Kritik an der vom Westen gestützten damaligen Regierung aufgefallen. Das brachte ihm lokal starken Zulauf ein, vor allem bei seinen Freitagspredigten in seiner hauseigenen Gusargah-Moschee, wo er zuletzt Imam-Chatib – Vorbeter – war. Bereits damals galt er als Taliban-nahe, hisste weiße, an die Taliban-Fahne erinnernde, Flaggen in seiner Moschee, vermied es aber, sich direkt für die Bewegung auszusprechen.

Trotzdem nahmen ihn die damaligen Sicherheitsbehörden zweimal fest; nach dem zweiten Mal setzte er sich sogar nach Saudi-Arabien ab, wo er studiert hatte. Das brachte ihm den Ruf eines Salafisten ein, und die talibankritische Onlinezeitung Hascht-e Sobh bezeichnete ihn als „saudi-nahe“.

Als offener Taliban-Unterstützer gab sich Maulawi Mudschib-ul-Rahman Ansari erst nach deren Rückkehr an die Macht zu erkennen. Anfang Juli sprach er sich während einer von den Taliban einberufenen landesweiten Versammlung von Geistlichen für ein harsches Vorgehen gegen jegliche Opposition aus und verteidigte das Taliban-Regime: „Jeder, der sich gegen das gegenwärtige System stellt, muss enthauptet und beseitigt werden.“

In seiner letzten Rede am Vormittag seines Todestages, die jetzt in den sozialen Medien verbreitet wird, sagte Ansari in Anwesenheit von Taliban-Vize Baradar: „Die Veränderungen, die wir in unserem Land seit dem vergangenen Jahr sehen, erstaunen sogar seine Feinde.“

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