Anschlag auf Ex-Geheimdienstchef: Schock und Angst in Burundi
Der mächtigste Scharfmacher hinter dem Präsidenten wurde getötet. Explodiert jetzt die Gewalt in Burundi?
Augenzeugen berichten von Männern in Uniformen, die auf den stadtbekannten Geländewagen von „Adolphe“, wie ihn in Burundi alle nennen, gezielt hätten. Einem Bericht des unabhängigen Radiosenders RPA auf seiner Webseite zufolge überholte ein Militärfahrzeug mit offener Ladefläche den Jeep des Generals, und die Soldaten darauf feuerten auf den Wagen zwei Raketen und zwei Granaten ab. Ausgerechnet in jenem Stadtteil Kamenge, wo General Nshimirimana und seine engsten Mitstreiter leben, eine Hochburg der heute regierenden ehemaligen Hutu-Rebellen, wo er sozusagen der „Patron“ ist.
Der Angriff geschah nicht weit von Nshimirimanas Bar, seinem quasi-Hauptquartier, von wo aus er die Jugendmiliz „Imbonerakure“ der Regierungspartei CNDD-FDD (Nationalkomitee/Kräfte zur Verteidigung der Demokratie) führte. Nshimirimana galt als der eigentliche starke Mann Burundis; als ehemaliger Geheimdienstchef befehligte er die brutale Niederschlagung der Massenproteste gegen die dritte Amtszeit des Präsidenten im April und Mai. Als erstes bestätigte Präsident Nkurunzizas Kommunikationsberater und rhetorischer Scharfmacher Willy Nyamitwe den Tod des Generals, „ein Bruder und ein Kamerad“.
Wenig später rief der Präsident selbst in einer Ansprache die Burunder zur Ruhe auf, er richtete sich in der lokalen Sprache Kirundi direkt an Adolphes Anhänger in Kamenge: „Gott wird uns helfen, diese Kriminellen zu fassen“, sagte Nkurunziza und mahnte, keine Racheakte zu begehen, sondern so zu reagieren, wie ihr Vorbild es getan hätte: „ruhig, cool, mit Intelligenz und Weisheit“. Niemand solle den Tätern jetzt helfen, dies zu erreichen, was sie bezwecken wollten: Die Burunder spalten, Massaker zu provozieren.
„Die haben den Krieg erklärt“
Es besteht kurzfristig die reale Gefahr, dass die Adolphe-treuen Milizen auf Rache aus sind. In sozialen Netzwerken wird der tote General als Held der Demokratie gefeiert. Er sei von „ruandischen Agenten“ getötet worden, die Tutsi in Burundi müssten jetzt aufpassen, heißt es. „Die haben den Krieg erklärt und jetzt werden sie sehen, was sie davon haben“, sagte gegenüber AFP ein hoher Armeegeneral. In der Nacht zu Montag kam es in oppositionellen Stadtteilen von Bujumbura zu Gefechten und Explosionen; mindestens drei Menschen sollen gestorben sein.
Die Afrikanische Union (AU), die EU und die USA haben große Sorge geäußert und zu Dialog in Burundi aufgerufen. Es besteht jetzt langfristig auch die Möglichkeit, dass Präsident Nkurunziza sich ohne Nshimirimana bereitwilliger zurück an den Verhandlungstisch begibt und einen Schritt auf die Opposition zugeht. Der ermordete General galt als der Super-Radikale innerhalb der kleinen Clique, die um Nkurunziza regiert. Er war bereit, enorme Gewalt anzuwenden, um den Präsidenten und damit sich selbst mit allen Mitteln an der Macht zu halten. Eine Einigung mit der Protestbewegung auf der Straße oder auch mit den zahlreichen Politikern, die mit der Regierung gebrochen haben und aus Burundi geflohen sind, kam für Nshimirimana nicht in Frage.
Der Mord an General Nshimirimana kam zwei Tage, nachdem sich diese Protestbewegung im Exil eine neue Struktur gegeben hatte. Zum Abschluss mehrtägiger Beratungen in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba gründete sie den „Nationalen Rat zur Wiederherstellung des Arusha-Friedensvertrages und des Rechtsstaates in Burundi“ (CNARED) – eine breite Koalition aller Anti-Nkurunziza-Fraktionen. Mit dabei sind zwei Ex-Präsidenten des Landes sowie hochrangige Deserteure des Regimes wie der geflüchtete Vizepräsident Gervais Rufyikiri, der geflohene Parlamentspräsident Pie Ntavyohanyuma sowie die Rebellenbewegung aus fahnenflüchtigen Generälen der Armee, die im Mai einen Putschversuch gewagt hatten.
Präsident der CNARED ist Altpolitiker Leonard Nyangoma, der 1994 den bewaffneten Kampf der Hutu-Rebellen gestartet hatte, aus denen später die heute regierende CNDD-FDD wurde. Die neue Plattform will mit Hilfe der AU den burundischen Präsidenten zum Einlenken zwingen.
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