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Anschläge in TschetschenienNeun Tote in Grosny

Bei drei Selbstmordattentaten in Grosny wurden neun Menschen getötet. Für Republikchef Ramsan Kadyrow sind die Anschläge eine persönliche Niederlage.

Spurensuche am Tatort in Grosny. Bild: reuters

MOSKAU taz | Bei einem Anschlag von drei Selbstmordattentätern in Grosny sind am späten Dienstagabend neun Menschen ums Leben gekommen. Mehr als zwanzig wurden zum Teil schwer verletzt. Einer der Attentäter sprengte sich nach einer polizeilichen Personenkontrolle in der Nähe des Putin-Boulevards im Zentrum der tschetschenischen Hauptstadt in die Luft.

Als Polizisten und Schaulustige an den Ort des Anschlags eilten, zündete ein weiterer Attentäter eine zweite Bombe. Daraufhin eröffnete ein dritter Terrorist Feuer aus einer Kalaschnikow auf die Sicherheitskräfte und löste dadurch eine dritte Explosion aus.

Der Anschlag war der blutigste in diesem Jahr in Tschetschenien. Republikchef Ramsan Kadyrow machte dafür den Emir des Nordkaukasus, Doku Umarow, verantwortlich. Die Banditen hätten ein weiteres Mal ihr wahres Gesicht gezeigt, sagte Kadyrow.

Für den selbstherrlichen Potentaten in Grosny, dessen Todesschwadronen die Republik in Angst und Schrecken halten, ist jeder erfolgreiche Übergriff des terroristischen Untergrundes eine persönliche Niederlage. Die regelmäßigen Attentate belegen, dass es dem von Moskau eingesetzten Statthalter trotz Terror nicht gelungen ist, die Republik zu befrieden.

Im Frühjahr 2009 hatte der Kreml den Ausnahmezustand des Antiterrorregimes aufgehoben und die Bekämpfung des Untergrunds dem Republikchef überlassen. Nach anfänglichen Erfolgen rührt sich der militante Flügel des Widerstands in letzter Zeit wieder häufiger. Die meisten Attentate richteten sich gegen Sicherheitskräfte und Mitarbeiter des Kadyrow-Regimes. Unter den neun Toten des jüngsten Anschlags waren sieben Polizisten und ein Mitarbeiter des Katastrophenschutzes. 18 Verletzte gehören den Sicherheitskräften an.

Nach Angaben des tschetschenischen Innenministeriums ist die Identität von zwei der Attentäter bereits ermittelt worden. Einer der Täter war Student des Öl-Instituts in Grosny, bei dem zweiten soll es sich um einen bekannten Ringkämpfer handeln, dessen Bruder vor einem Jahr einen Selbstmordanschlag verübte.

Bislang hat Doku Umarow noch keine Verantwortung für das Attentat übernommen. Der nordkaukasische Emir hat seine Stellung im islamistischen Untergrund aber anscheinend wieder festigen können. Im vergangenen Jahr hatten ihm die Kommandeure des tschetschenischen Untergrunds ihre Gefolgschaft aufgekündigt. Inzwischen sollen sie sich seinem Oberbefehl wieder unterstellt haben. Beobachter vermuten, dass die abtrünnigen Kommandeure für ihre Sache keine Geldgeber in der islamischen Welt finden konnten.

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2 Kommentare

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  • PB
    Peter Bitterli

    Schade, sehr schade, Benz, dass Sie Ihre differenzierten, dem plumpen Putin-Bashing Herrn Donaths widerredenden Aussagen dadurch vollkommen diskreditieren, dass Sie Sippenhaftung einfordern. Nein, so geht es nicht. Genau das schafft übrigens dann auch die "schwarzen Witwen" und insgesamt dann leider wohl zu Recht radikalisierte, militante Sippen.

  • B
    Benz

    Das es überhaupt zu einem Attentat kommen konnte, ist ohne Zweifel ein Misserfolg. Aber: Man muss dabei beachten, dass lückenlose, 100%ige Sicherheit unmöglich und unerreichbar ist. Und noch wichtiger: Die russischen Sicherheitskräfte in Grosny haben gut gearbeitet und noch Schlimmeres verhindern können, die Attentäter hatten nämlich vorgehabt, sich inmitten einer Menschenmenge in die Luft zu sprengen. Den Polizisten aber fiel das seltsame Benehmen auf, und sie nahmen die Attentäter zur Kontrolle raus. Das ist ohne Zweifel ein Erfolg und zeigt, wie kompetent die Sicherheitskräfte arbeiten.

     

    Wichtig jetzt und für die Zukunft ist, dass auch die Hintermänner der Tat unschädlich gemacht werden. Das Klima der Straflosigkeit in Russland muss endlich beseitigt werden. Anstifter aus dem Umkreis der Täter sind hart zu bestrafen, ebenso ihre Familienmitglieder. Das eigene Wohl ist den meist psychisch gestörten oder drogensüchtigen Selbstmordattentätern egal, aber nicht jenes ihrer Angehörigen. Mit Sippenhaft könnten potentielle Attentäter von ihren Plänen abgebracht werden und unzählige Menschenleben gerettet werden. Hartes Durchgreifen ist nötig.