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Anne Will beendet LesbenthemaUnd das ist auch gut jetzt

Nach dem Coming-out von Anne Will wartet das Publikum auf intime Details aus dem Privatleben der Moderatorin. Vergeblich. Das Lesbenthema ist für Will und Partnerin erledigt.

Details werden nicht an die Zeitungsmeute geliefert: Meckel und Will. Bild: ap

Müsste man ernsthaft über ihre Meriten sprechen, dann mindestens über ihre Sendung am vorigen Sonntag: Seit diesem Abend sind die bis dahin vereisten Verhandlungspositionen im Lokführerstreik am Tauen. Man spricht wieder miteinander, und dieser Prozess begann bei "Will", einer Sendung, die nach ihrer Anführerin betitelt ist: Anne Will. Stattdessen fabuliert der Boulevard über einen alles in allem unerheblichen Umstand, dass nämlich das aktuelle Darling aller im Mediengewerbe privat keinen Mann an ihrer Seite hat, sondern eine Frau.

Die Bild am Sonntag hatte es einen halben Tag vor der Show herausgetrötet - das, was unter JournalistInnen ohnehin kein besonders gut gehütetes Geheimnis mehr war. Miriam Meckel heißt die Partnerin von Anne Will, aber, zum Leidwesen der Alltagsausgabe dieses Blattes, der Bild-Zeitung, gab es kein weiteres Futter, das man der gierigen Leserschaft hätte vorkauen können. Keine intimen Details, keine Enthüllungen - aber die Nachricht selbst reichte, um Internetforen jedweder Provenienz mit Bekundungen zu füllen. Überall fällt der Beifall mächtig aus, Anne Will scheint nun auf dem Zenit ihrer öffentlichen Darstellungsmöglichkeiten. Manuela Kay, Chefredakteurin der lmag, einer in Berlin erscheinenden Zeitschrift für Lesben, sagte: "Ich bin sehr zufrieden."

Fast unerheblich ist, ob die frühere "Sportschau"- und "Tagesthemen"-Moderatorin mit ihrem Outing über die am meisten gelesene Zeitung der Republik gezwungenermaßen herausrückte oder selbst das Naheliegende erlaubte: zu berichten eben, dass sie mit Miriam Meckel bei gesellschaftlichen Anlässen zusammen aufzutreten pflegt. Sie wagte und gewann. Die Frau, die das Land von "Christiansen" quasi zu erlösen schien, durfte gestern sogar lesen: "Lesben feiern Anne Will". Und das trifft als Schlagzeile sogar zu. In Foren, bei Anrufen, im Gespräch: Ja, das ist eine Tolle! Sie hat es gewagt! In Wahrheit war freilich das Risiko, mit diesen Auskünften sich selbst rufzuschädigen, gering. Sie ist eben Anne Will, keine Clownin, keine Schlechtwitzeschluse wie Hella von Sinnen, keine menschenfreundliche Dragonerin wie Ulrike Folkerts oder ein manisches Sangessternchen wie Lucy Diakovska von den "No Angels".

Obendrein scheint das Muster an gewöhnlichen Klischees über lesbische Frauen an ihr und ihrer Lebensgefährtin sich selbst ad absurdum zu führen. Lesben sind hässlich, verhärmt und bitter? Sind männerbedrohende Monstren? Neigen dazu, zum Lachen in Verliese zu gehen? Selbst Franz-Josef Wagner, Bild-Kolumnist, attestiert diesem Coming-out alle Achtung, enttäuscht, aber freundlich gönnerhaft. Begeistert sei er nicht, nun sei ihr Liebreiz nur eine "Fata Morgana", aber: "Ich gestehe, ich gucke mehr auf Ihren Busen als auf Ihre Worte. Nach Ihrem Outing muss ich nun lernen, geistig, intellektuell mit Ihnen zu kuscheln. Ich will es versuchen." Na, da kann sie ja froh sein!

Will ist nun, andersherum, eine Art Ikone der Lesben, wie es Klaus Wowereit für Schwule ist. Der hatte sich auch nicht outen lassen wollen, sondern tat es lieber selbst auf dem SPD-Parteitag, der ihn zum Kandidaten für das Bürgermeisteramt in Berlin küren sollte. Schwul? Ja, das sei er, "und das ist auch gut so". Seit diesem 10. Juni 2001 gibt der Berliner das für Homosexuelle neue Rollenfach eines Schwulen, der sich nicht mit seiner sexuellen Orientierung erpressen lassen, verächtlich oder zum Opfer machen lassen will. Und das mit großem Gewinn: Wowereits gab ja nie Intimes preis. Er holte nur das nicht der Normalität entsprechende, sein Schwulsein eben, wie selbstverständlich aus dem rhetorischen Waffenarsenal der üblen Nachreder. So gewann dieser Politiker endgültig die Souveränität über sein eigenes politisches Entertainment.

Will ist durch ihr - sei es durch leichten Nachdruck oder selbst zum perfekten Zeitpunkt gewähltes - Outing in der Arena des Fernsehens moralisch oder menschlich nicht mehr zu verwunden, jedenfalls nicht mit dieser Aura der Popularität.

Miriam Meckel hält sich wie ihre Partnerin an den Vorsatz, das Privateste nicht der Zeitungsmeute auszuliefern. Die Bild-Zeitung suchte sie auf dem Weg zur Universität St. Gallen in der Schweiz zu erreichen, wo sie lehrt. Doch die Frau, die Boulevardzeitungen lüstern zur "schönen Professorin" stilisierten, gab nur Knappes zu verstehen: "Ich möchte jetzt nicht über Gefühle sprechen." Und schließlich, den Frust der Bild-Leute mag man sich kaum ausmalen: Das lesbische "Thema ist erledigt". Wer verstünde das nicht?

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16 Kommentare

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  • L
    Lissy

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    Ich finde durchaus dass auch die TAZ ihren kommentar zum coming out von in der oeffentlichkeit stehenden personen abgeben sollte...hier im fernen und homophoben afrika freue ich mich dann naemlich! Schade nur dass im selben artikel drei andere lesbische promis gedisst werden muessen...was soll denn das? und was um himmels willen ist eine menschenfreundliche dragonerin??? Warum Ulrike Folkerts eins aufs Dach geben und Anne Will zur Goettin erheben?

    ansonsten: nur nicht aufregen, liebe schwulen und lesben deutschlands. Weltweit gibt es noch so viel diskriminierung, dass eine im grossen und ganzen von entskandalisierung, selbstverstaendlichkeit und humor gekennzeichnete serie der TAZ ueber Will+Co. doch total okay um nicht zu sagen wuenschenswert ist!

  • J
    Juergen

    hi

    jetzt mal locker bleiben,

    da im fernen Deutschland...

     

    Weiter so JAN..

    ich bin dein Fan...

     

    Juergen

  • US
    Uwe Steinbrecher

    Anne Will wollte ihr Privatleben privat halten. Aber es ist nicht nur die Bildzeitung, die das nicht akzeptiert, sondern es sind vor allem auch die Berufsschwulen und Berufslesben mit ihren Verbänden und in den Redaktionen. Ohne Rücksicht auf Anne Will fordern sie Lesbenfeiertage und verfassen ewig lange schwulenbewegte Artikel. Jan Feddersen, lassen sie Anne Will ihr Privatleben und schreiben sie von mir aus über den Grand Prix.

  • UA
    u.p. autkowsky

    Vielen Dank an Frau Will und Frau Meckel, endlich wird die Liste versteckt lebender Lesben kuerzer!

     

    Dass die Presse in den letzten Tagen nicht von der Thematik ablassen konnte zeigt, wie sehr in unserer Gesellschaft das Private Anderssein politisch ist.

     

    Ich bin bestuerzt hinsichtlich der grossen Zahl der "Nichtwissenwoller", die statt den unliebsamen Artikel zu ueberblaettern lieber wettern und auch noch glauben, der interessierten aber unaufgeklaerten Mehrheit der Deutschen wohnhaft in Buxtehude & Co den Lesestoff nehmen zu koennen.

     

    Dass die - wenn auch verspaetete - Nachricht der Frauen Meckel und Will ein grosser Schritt fuer eine Gesellschaft ist, die in Zukunft mit eher MEHR als weniger vielfaeltigen Hintergruenden, Weltanschauungen und Lebensformen umzugehen hat, liegt wohl auf der Hand.

     

    Ich plaediere fuer mehr Sichtbarkeit vielfaeltiger Lebensformen, und dazu kann meinetwegen auch eine Mini-Serie ueber Anne Will's Ansichten zu Gott und der Welt gehoeren!

  • SW
    Susanne Weber

    Zitat: "Sie ist eben Anne Will, keine Clownin, keine Schlechtwitzeschluse wie Hella von Sinnen, keine menschenfreundliche Dragonerin wie Ulrike Folkerts oder ein manisches Sangessternchen wie Lucy Diakovska von den "No Angels"."

     

    Mit Verlaub Herr Feddersen, Sie sind ein Arschloch!

     

    Mit einem Satz drei Lesben gedisst. Jede dieser Frauen hat großen Respekt verdient für das was sie geleistet haben mit Ihrem offenen lesbischen Leben, unabhängig davon ob sie ihre Berufe nun beherschen oder nicht.

     

    Ein so lockeres Coming Out einer Anne Will im Jahre 2007 ist nur möglich weil sich eine Frau wie Hella schon 1992 geoutet hat.

  • B
    Birgit

    Ich wünsche mit! Nur leider werden wir wohl noch die nächsten 20 Jahre wünschen müssen. Ich denke, Anne Will wird weiterhin bei ihrem Vorsatz bleiben und Privates nicht in die Öffentlichkeit tragen. Und um ehrlich zu sein macht gerade das sie so sympathisch!

  • M
    Manu

    DANKE Anne Will!!

     

    Jetzt sollte doch auch der letzte Macho verstanden haben, dass Lesben hübsch, intellegent und erfolgreich sein können. Aber nun ist das Thema durch und alles weitere Frau Wills Privatleben. Ich hoffe nicht noch mehr Klatschartikel lesen zu müssen.

  • A
    Amsel

    Ich lebe im Ausland und mir waere das fast entgangen - danke TAZ!

  • S
    Sternstunde

    Ich wünsche mir ein Interview mit Anne WiLL über Gott und die WeLt und MoraL und Feminismus, Leben und Lachen in DeutschLand, Europa, Serien und Foren.

  • F
    frank

    .....und jetzt bitte Schluß mit dem Quatsch !

  • C
    Claudia

    Dass sich ausgerechnet Anne Will geoutet hat entkoppelt auf entspannte Weise das "Lesbisch Sein" mit anderen Aspekten der Persönlichkeit.

    Anne Will wird eher dem konservativen, konventionellen, angepassten usw. pp. Spektrum zugeordnet. (Nicht negativ gemeint)

    D.h. aus diesem Grund kehrt eine gewisse Normalität ein, man kann "irre", "nicht weiblich genug", "erfolgreich", "unerfolgreich" "künstlerisch" sein, ohne, dass dieses sofort dem eigenen Lesbischsein zugeordenet wird: "Weil du lesbisch bist, hast du diese Probleme, Lebenseinstellungen, Stolpersteine auf deinem Weg...

    Danke Anne!!

    Du bist so normal und das ist gut so.

  • AL
    Antonja Langen

    Aber die taz muss sich doch noch dranhängen!

     

    Dass hier fast alle Pfau-, pardon: Frauenthemen von Männlein gesponnen werden... - ist das das contragene, taz-schwuliche Gesetzle?

  • WS
    wolfgang stein

    Was die Berichterstattung über Frau Will betrifft,da

    ist die TAZ doch wie die BILD oder BUNTE.

    Als Schwuler kotzt ein diese Art des Journalismus,

    für die Jan Feddersen auch steht, langsam an.

    wolfgang stein

  • PS
    Peter Schlaffer

    Wie heutzutage die Massenmedien gestrickt sind, zeigt ein bezeichnendes Beispiel: Der Corriere della Sera, eine durchaus beachtliche italienische Zeitung, die man unter dem Rubrum "seriös" einstufen möchte, bringt Meldungen aus Deutschland eher selten, egal, wie wichtig diese uns hier sind. Aber die Story von Anne Will hatten sie bereits in ihrer Sonntagsausgabe auf Seite 1!

  • M
    maike

    hallo taz,

     

    das solltet ihr doch nicht nötig haben. nicht nur einen, jetzt schon der dritte artikel zum thema anne wills privatleben. ist doch nun echt nicht interessant.

  • AR
    Andrea Ramsteck

    Lieber Jan Feddersen,

     

    danke für Ihre Aufklärung über Klischees und Klatsch. Und schwupps, ist sie zu - die Schublade.

     

    Aber passen Sie nur auf, dass Sie sich nicht die Finger klemmen, mit denen Sie doch hier ihre Schreibarbeit machen - oder besser: versuchen?!

     

    Naja, schauen wir mal großzügig über diesen Fauxpas bei der "Einschätzung" von Hella von Sinnen und Ulrike Folkerts hinweg. Sie unterschätzen diese Damen. Aber das passiert Männern ja öfter - und Frauen selbst leider auch.

     

    Tatsächlich unerfreulich wäre das im Beitrag erwähnte ungefragte Ausplaudern privater Details -womöglich am Rande der Recherche vertraulich offenbart - durch Journalstinnen (oder ihr männliches Pendant) anstelle offizieller und autorisisierter Berichterstattung - sowas ist wirklich "out". Kommt aber leider vor.

     

    Als absolutes No-Go die letzte Hürde beim "Presse-Outing". Aber nur Mut: "Alles wird gut!"