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Annalena Baerbock in GeorgienBesuch in bewegten Zeiten

Außenministerin Annalena Baerbock reist nach Georgien. Man sehe den Druck, dem das Land ausgesetzt sei, sagte sie vorher – auch von russischer Seite.

Anfang März protestieren Zehntausende Ge­or­gie­r*in­nen gegen ihre Regierung Foto: Zurab Tsertsvadze/ap

Tbilisi taz | Saba Meurmischwili ist enttäuscht. Der 21-Jährige, der in der georgischen Hauptstadt Tblisi Interna­tio­na­le Beziehungen studiert, hatte Anna­lena Baer­bock treffen wollen. Die grüne Außenministerin wird am Freitag zu einem Kurzbesuch in Geor­gien erwartet. Doch die deutsche Botschaft sagte eine Zusammenkunft mit Stu­den­t*in­nen der Jugendbewegung „Für eine europäische Zukunft“, zu der auch Meurmischwili gehört, ab. Terminschwierigkeiten, hieß es zur Begründung.

Aber Baerbocks Programm ist auch so gut gefüllt. Sie wird mit Ver­tre­te­r*in­nen der Regierungspartei, der Opposition sowie Stu­den­t*in­nen zusammentreffen. Darüber hinaus wird die Ministerin die sogenannte Grenze zwischen Georgien und Südossetien besuchen. Die abtrünnige Region ist seit dem russisch-georgischen Krieg 2008 unter Kontrolle Russlands.

Seit 15 Jahren arbeitet eine Überwachungsmission der EU (EUMM) vor Ort, die jedoch zu dem von russischen Truppen kontrollierten Gebiet keinen Zutritt hat. Diese verschieben die improvisierte Grenze immer weiter in das Territorium Geor­giens hinein.

Baerbock besucht die Südkaukasusrepublik in bewegten Zeiten. Anfang März waren Zehntausende in Tblisi auf die Straße gegangen. Ihr Protest richtete sich gegen einen Gesetz­entwurf über „ausländischen Agenten“ – Organisationen, die mehr als 20 Prozent ihrer finanziellen Mittel aus dem Ausland erhalten. Nach zwei Nächten gewaltsamer Zusammenstöße mit der Polizei zog die Regierungspartei Georgischer Traum das Gesetz zurück.

Am Donnerstag veröffentlichte das Auswärtige Amt eine Erklärung zu Baer­bocks Besuch: „Wir sehen die Versuche, das Land von dem proeuropäischen Kurs abzubringen, für den die überwältigende Mehrheit der Ge­or­gie­r*in­nen eintritt. Und wir sehen den Druck, dem das Land von innen und außen ausgesetzt ist“, heißt es darin.

EU-Kandidatenstatus verweigert

In der Tat ist es so: Mehr als 80 Prozent der Bevölkerung Georgiens befürworten den Beitritt zur EU. Im Juni 2022 wurde dem Land der EU-Kandidatenstatus verweigert. Nun muss Tblisi zwölf Empfehlungen der Europäischen Kommission umsetzen, wie den Schutz der Menschenrechte gewährleisten und die politische Einflussnahme auf Gerichte beenden. Es war die Angst, die EU-Perspektive zu verlieren, die vor allem junge Menschen, gegen das „Agentengesetz“ auf die Straße brachte. Der Chef der Regierungspartei Georgischer Traum, Irak­li Kobachidse, sagte am Donnerstag, er sehe „außer der radikalen Opposition keine Hindernisse für eine europäische Integration“.

Die Partei Georgischer Traum regiert seit 2012. Ihr Gründer ist der Milliardär Bidzina Iwanischwili. Er war 2012/13 Premier und zog sich 2021 offiziell aus der Politik zurück. Viele in Georgien glauben, dass er weiter die Strippen zieht und vom Kreml kontrolliert wird.

Student Meurmischwili sagt: „Die Regierung vertritt das georgische Volk nicht, und die Behörden versuchen, die Jugend zum Schweigen zu bringen. Der Georgische Traum verdient nicht den Status eines Kandidaten, aber wir, das georgische Volk, verdienen ihn.“

Aus dem Russischen: Barbara ­Oertel

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