Anlage-Betrug zieht weitere Kreise: Die Spuren führen nach Bremen
Der Anlage-Betrüger Gläser alias "Dagobert" Lewy bittet um Geld auf das "Treuhand"-Konto eines Anwaltes, dem ein Prozess wegen groß angelegten Immobilien-Betrugs droht
Die Sögestraße 42-44 in der Bremer City ist eigentlich eine gute Adresse: Das Café Knigge hat hier seinen Hauptsitz, und über die ganze Häuserfront seine leckeren Schaufenster-Auslagen. Ganz am Rande, zwischen Apfelstrudel-Werbung und Speisekarte, hängt ein wenig auffälliges Anwaltsschild. Vor wenigen Monaten stand hier noch "Notar".
Sögestraße 42-44, das ist auch die Adresse, die ein einschlägig vorbestrafter Anlagebetrüger, Manfred Gläser, jüngst im Bremer Handelsregister für die inzwischen in Insolvenz befindliche Firma "Crystal International Consultants Ltd" - Firmensitz ist das ferne London - eintragen ließ. Ein Crystal-Schild fand sich dort nie, nicht einmal ein Briefkasten. Hoffte Gläser, dass Post für seine Geldanlage-Firma bei dem Anwalt abgegeben würde?
Gläser, der sich "Henry Lewy" nennt und unter diesem Namen seine Geschichten - die Vorstrafe auslassend - im Internet ausbreitet, wurde in Bremen bekannt als derjenige, der große Edelmetall-Anlagen im Bunker "Auf der Muggenburg" einlagern wollte. Da Gläser damals, 2007, noch unter Bewährungsaufsicht stand, hat er die Geschäftsführung stets Strohmännern und -frauen übertragen. Zuletzt fungierte seine Tochter als Geschäftsführerin - die verlegte den Geschäftssitz nach Hamburg und meldete schließlich 2011 Insolvenz an. Als der Insolvenzverwalter im vergangenen Herbst die noch vorhandene Konkursmasse besichtigen wollte, fand unter der Hamburger Adresse keine Geschäftsbücher. Er ließ den Bunker aufbrechen und stieß in "Dagobert"-Lewys Gold-Turm auf Säcke mit Kieselsteinen.
Jener Gläser alias Lewy schickte kurz vor Weihnachten eine Rundmail an seine "Kunden", von denen einige - insbesondere Frauen - noch an ihn glauben: "Rettungspaket Crystal" ist der Betreff. Seine Tochter habe die Gelder veruntreut, so seine Version, er wolle das Vermögen der Geldanleger retten oder jedenfalls wiederbeschaffen - dafür braucht er nur ein wenig neues Geld, neue Darlehen. 80.000 Euro habe er bereits "über den Treuhänder Herrn Rechtsanwalt und Notar Werner Degenhardt" bekommen, er brauche aber mehr, um "97 MT" des strategischen Minerals Tantalite/Coltan die transportbereit in Lusaka stünden, herbeischaffen zu lassen. Wenn er die erforderlichen Zahlungen "über den Treuhänder Herrn Degenhardt erhalten könnte, würden über die Gewinne alle früheren Darlehens-Geber ausbezahlen ...
Degenhardt wollte mit Hinweis auf das Mandantengeheimnis keine Auskunft darüber geben, ob Gläser mit seinem Einverständnis seine Kanzlei-Anschrift nutzt. Und warum hat der "Treuhänder" seinen Notars-Titel zurückgegeben? Wenn ein Notar strafrechtlich belangt wird, droht ihm ein Disziplinarverfahren und der Entzug der Zulassung als Notar und Anwalt. Wenn er seinen Notariats-Zulassung aber rechtzeitig "freiwillig" vorher zurückgibt und das Disziplinarverfahren wegen des Notars-Titels so vermeidet, ist die Hürde für den Verlust der Anwaltszulassung deutlich höher. Diesen zusammenhang vermuten Beobachter der Szene mit dem Wechsel des Firmenschildes am Café Knigge. Denn die Staatsanwaltschaft Stade hat umfangreiche Ermittlungen abgeschlossen und die Anklageschrift fertig gegen fünf Immobilien-Anlagebetrüger - wichtige Spuren führen nach Bremen. Es geht um 130 betrügerische Immobiliengeschäfte, 20 Banken sind die Geschädigten. Hauptangeklagter ist der frühere Bremer Anwalt Klaus Dieter K., der vor 20 Jahren schon seine Zulassung verloren hat. Unter den fünf Angeklagten, so bestätigt die Staatsanwaltschaft Stade, sei auch ein Bremer Anwalt Werner D.
Eine der Angeklagten ist die Pegasus-Geschäftsführerin T., deren Schwiegertochter am Dienstag wegen Immobilien-Betruges in Syke vor Gericht stand. Für Schrott-Immobilien seien hohe Bankkredite aufgenommen worden, so erklärt die Anklage das System der Betrüger, mit Hilfe von Anwälten sei den Banken die Bonität der Käufer vorgetäuscht worden. Das konnten aber auch mal Drogenabhängige sein, die Privatinsolvenz beantragten, wenn die Banken Zinsen eintreiben wollten.
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