Anke Domscheit-Berg über Piraten: „Kein Grund für Panikmache“
Viele Piraten seien noch PR-unerfahren, findet Anke Domscheit-Berg und kritisiert indiret ihren Parteichef. Die Partei sei aber keine Chaostruppe.
taz: Frau Domscheit-Berg, die Piraten sind in der Wählergunst stark abgestürzt, die Männer an der Parteispitze streiten sich um Lebensentwürfe, Geld und Jobs. Sind das die Professionalität und die Transparenz, mit der sich die Piraten von anderen Parteien absetzen wollen?
Anke Domscheit-Berg: Wir liegen immer noch über den Prognosen für die FDP, es gibt keinen Grund für Panikmache. Man muss unterscheiden, was auf Parteiebene passiert und was zwischen einzelnen Personen. Viele Medien berichten lieber über zwischenmenschliche Dramen. Und so entsteht der Eindruck, die Partei sei eine Chaostruppe, die sich gegenseitig fertig macht.
Macht sie nicht?
Unzählige Piraten machen professionelle Arbeit. Gerade jetzt, vor dem Programmparteitag im November in Bochum, tagen täglich Arbeitsgruppen, die jede Menge Inhalte entwickeln. Aber das spiegelt sich in den Medien leider kaum wider.
Über welche Inhalte sollen die Medien schreiben, wenn Piraten es nicht einmal zu einer wirtschaftspolitischen Leitlinie im Parteiprogramm bringen?
Das sehe ich nicht so problematisch. Wir entwickeln unsere Inhalte in einem intensiven Diskurs. Wirtschaft ist ein komplexes Feld, und da ist auch der Diskurs intensiver.
44, ist Netzaktivistin und Lobbyistin für Open Government und mehr Frauen an der Unternehmensspitze. Seit Mai 2012 ist die Ex-Grüne Mitglied bei den Piraten.
Trotzdem: Man wird den Eindruck nicht los, dass es drunter und drüber geht und jede Auseinandersetzung öffentlich ausgetragen wird.
Bei uns wird halt nicht in Hinterzimmern gemauschelt, sondern offen debattiert. Darüber hinaus mangelt es noch an Medienerfahrung. Wir sind nicht die mit allen PR-Wassern gewaschenen Vollblutpolitiker, da werden Fehler gemacht, auch mal an der falschen Stelle emotional reagiert. Unabhängig davon halte ich es für unglücklich, über Medien Kritik an Vorstandskollegen zu üben. Das sollte intern diskutiert werden. Das haben die Beteiligten inzwischen selbst erkannt.
Beißt sich Ihre Forderung nicht mit dem Transparenzprinzip der Piraten?
Nein. Die Frage ist nur, mit wem man wie redet. Unproblematisch wäre beispielsweise, auf unseren internen Plattformen mit allen interessierten Parteimitgliedern über innere Konflikte zu debattieren. Auseinandersetzungen sollten direkt gelöst werden. Das ist im übrigen auch viel transparenter.
Zeit für eine Frau an der Spitze?
Das ist gar nicht so sehr die Frage, weil wir keinen Fokus auf den Chef oder die Chefin legen. Die Frage ist eher: Brauchen wir generell mehr Frauen?
Und?
Jedem Gremium, ob bei den Piraten oder anderswo, tut ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis gut. Bei den Piraten ist eine besondere Kommunikationsfähigkeit nötig, um verschiedene Strömungen der Partei zu befrieden.
Wer kann das?
Marina Weisband konnte es. Sie hat die Gabe, große Konflikte sensibel zu schlichten. Ich würde mir wünschen, sie würde noch mal eine Führungsrolle übernehmen.
Sie selbst kämpfen für mehr Frauen in Führungspositionen. Streben Sie eine Führungsrolle bei den Piraten an?
Nein. Ich wäre in einer Amtsrolle nicht gut aufgehoben, das können andere besser. Ich bin eher ein Missionarstyp, der versucht, Leute von Ideen und Visionen zu überzeugen. Ich sehe mich daher eher in einer Mandatsrolle. Deshalb möchte ich für den Bundestag kandidieren.
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