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Anja Krüger über die überfällige Angleichung der OstrentenEs geht nicht nur ums Geld

Jetzt will Schäuble die Menschen im Osten noch mal in die Pfanne hauen

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) will die Pläne seiner sozialdemokratischen Kabinettskollegin Andrea Nahles durchkreuzen, die Renten im Osten Deutschlands ab dem Jahr 2020 an die im Westen anzugleichen. Als hätte der Mann beim Aushandeln des Einigungsvertrags zwischen BRD und DDR nicht schon genug Unheil angerichtet. Man denke nur an die Dok­trin „Rückgabe vor Entschädigung“ bei Eigentum, die wegen unklarer Rechtslage zu unzähligen Baubrachen und Prozessen geführt hat, und dazu, dass viele unglückliche Menschen ihre Wohnung verlassen mussten. Jetzt will Schäuble die Menschen im Osten noch mal in die Pfanne hauen. Die Angleichung für die 4 Millionen Ostrentner ist ihm zu teuer – angesichts der hervorragenden Kassenlage des Bundes ein wirklich schlechter Witz.

Den älteren Ostrentnern, die nicht lange nach der Wende in den Ruhestand gingen, mag es finanziell gar nicht so schlecht gehen. Die meisten haben durchgehende Arbeitsbiografien. Paare können oft auf gute Haushaltseinkommen blicken, weil beide lange verdient haben. Aber das gilt für jene, die in der Nachwendezeit ihren Job verloren und lange keinen neuen fanden, nicht. Sie haben lange wenig oder nichts in die Rentenkassen einzahlen können. Sie brauchen im Ruhestand jeden Cent.

Bei den Ostrenten geht es nicht nur ums Geld, sondern um Anerkennung. Viele Menschen begreifen ihre Rente auch als eine Art Bilanz, als Ernte ihrer Lebensleistung. Dass die geleistete Arbeit der Menschen im Osten weniger wert ist als die der Menschen im Westen, ist diskriminierend. Auch mehr als ein Vierteljahrhundert nach der Wiedervereinigung pflegen manche Wessis noch ihre Ressentiments. In Renten und Löhnen spiegelt sich die ideelle Abwertung materiell. Diese Ungleichbehandlung muss aufhören. Sie untergräbt das Vertrauen in das Gleichheitsversprechen der Demokratie – gerade im Osten wäre das fatal.

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