Angst vor globalem Finanz-Crash: Deutsche-Bank-Chef ruft nach Staat
Josef Ackermann und Finanzminister Steinbrück warnen vor Risiken für Deutschland. Mehr Geld allein reicht nicht, sagen sie, Staat und Kapital müssen eng zusammenarbeiten.
Die Sorge vor einer Finanzkrise mit historischen Ausmaßen stellt nun selbst in der deutschen Hochfinanz Grundüberzeugungen auf den Kopf: "Ich glaube nicht mehr an die Selbstheilungskräfte des Marktes", sagte Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann. Der Chef der größten deutschen Geschäftsbank drängt auf staatliche Eingriffe. "Banken allein können die Situation nicht mehr retten", sagte Ackermann.
Das globalisierungskritische Netzwerk Attac stimmte dem Deutsche-Bank-Chef zu. "Sektoren wie die Bankenbranche, deren Krisen die ganze Volkswirtschaft in Gefahr bringen, gehören unter stärkere demokratische Kontrolle", sagte Stephan Schilling von Attac.
Sein Hilferuf findet in der Politik Gehör. Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) rief dazu auf, dass Politik und Banken eng zusammenarbeiten sollten, um die Auswirkungen auf die Realwirtschaft zu begrenzen. "Wir haben es mit einer der größten Finanzkrisen in den letzten Jahrzehnten zu tun", sagte Steinbrück (SPD).
Immerhin blieb am Dienstag der befürchtete nächste große Knall an den Finanzmärkten aus. Er drohte von der Nummer 1 und 4 unter den US-Großbanken, die ihre Quartalszahlen vorlegten. Doch sowohl Goldman Sachs als auch die Lehman Brothers kamen mit einem blauen Auge davon. Zwar brach der Gewinn von Goldman Sachs im Vergleich zum Vorjahr um 50 Prozent ein (1,47 Mrd. Dollar), der von den Lehman Brothers gar um 57 Prozent (465 Millionen Dollar). Auch weitere Abschreibungen wegen der Kreditkrise fielen bei den beiden Banken geringer aus, als von vielen befürchtet.
Die Sorge vor einer weiteren Beinahe-Pleite einer Großbank ist damit vorerst vom Tisch. Erst am Wochenende konnte die fünftgrößte US-Bank Bear Stearns nur durch einen Notverkauf vor der Pleite gerettet werden. Der Verkauf an den Konkurrenten JPMorgan ist aber noch nicht perfekt. Unter den Großaktionären von Bear Stearns regt sich nach Bericht des Wall Street Journals Widerstand gegen den niedrigen Verkaufspreis von knapp 300 Millionen Dollar - ein Aktionär und Mitarbeiter der Bank mit Aktien finden den Verkaufspreis von zwei Dollar je Papier zu gering.
An den Börsen war am Dienstag Durchatmen angesagt. Die Aktien der Lehman Brothers legten um 17 Prozent zu. Der DAX stieg am Nachmittag nach den Kursverlusten der Vortage um 2,67 Prozent auf 6.347 Punkte. Auch der Dow-Jones-Index in New York stieg um 1,77 Prozent auf 12.184 Punkte.
Für gespannte Ruhe sorgte zudem der US-Zinsentscheid, der für Dienstagabend erwartet wurde. Beobachter hielten es für möglich, das die US-Zentralbank ihre Leitzinsen von 3 auf 2 Prozent senken könnte. Der Euro-Kurs trat im Tagesverlauf auf der Stelle und notierte vor der US-Zinsentscheidung unter den Höchstständen der vergangenen Tage.
Umso mehr verlagert sich das Interesse nun darauf, wie die USA das Schlamassel der geplatzten Kreditblase bewältigen. "Das Undenkbare wird nun unvermeidlich", warnt der US-Starökonom Paul Krugman in seiner neuesten Kolumne in der New York Times. "Der Staat muss jetzt einspringen und die Schulden übernehmen", fordert Krugman. "Das Finanzchaos wird Billionen Dollar Verluste verursachen", prophezeit Krugman. Schon in den 80er-Jahren ist die US-Regierung ähnlich vorgegangen. Damals rettete sie mit etwa 200 Milliarden US-Dollar viele Banken vor den Folgen Hypothekenkrise von Savings & Loans.
Deutsche-Bank-Chef Ackermann rief zu gemeinsamen Aktionen von Regierungen, Zentralbanken und Banken auf, um das Vertrauen der Finanzmärkte wiederherzustellen: "Die Versorgung der Märkte mit Liquidität reicht dazu nicht aus", sagte Ackermann. Hans-Werner Sinn vom Ifo-Institut sagte zu den Auswirkungen: "Wenn die Amerikaner husten, kriegt die Welt einen Schnupfen - und dazu gehören auch wir in Deutschland."
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