Angst vor der Vielehe: Union poltert gegen Ehe ohne Standesamt
Nach der SPD fürchtet nun auch die Union die Vielehe. Integrationsbeauftragte setzt auf Hilfe von Muslimverbänden.

BERLIN taz Politiker von CDU und CSU haben eine Rücknahme der neuen Eheregelung gefordert, nach der auch rein religiöse Trauungen möglich sind. "Man muss sich schleunigst von dieser Reform verabschieden", sagte CDU-Bundesvorstandsmitglied Emine Demirbüken-Wegner der taz. "Nur die standesamtliche Regelung verhindert die Vielehe. Künftig könnten christliche und muslimische Fanatiker das aushebeln." Auch der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) griff die Bundesregierung wegen der Neuregelung des Eherechtes scharf an. Die Reform sei ein "Rückschritt ins Mittelalter", sagte er dem Münchner Merkur. Der Staat könne künftig nicht mehr ahnden, wenn ein Imam "auch noch die dritte und vierte Eheschließung" vornehme.
Damit greifen nach der SPD und der Opposition auch die Unionsparteien Befürchtungen von Frauenrechtlerinnen wie der türkischstämmigen Anwältin Seyran Ates auf. Ates hatte am Montag gewarnt, die Reform öffne der muslimischen Imam-Ehe "Tür und Tor". Kirchliche Hochzeiten sollen ab Januar 2009 auch dann erlaubt sein, wenn die Ehe vorher nicht standesamtlich geschlossen wurde.
Für gelungen hält das offenbar auch die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), nicht. Sie setze "auf die Mitwirkung der muslimischen Verbände", sagte Böhmer der taz. Frauen müssten rechtlich abgesichert sein. "Das ist nur der Fall, wenn sie eine zivilrechtliche Ehe geschlossen haben." Gehör findet Böhmer damit beim Zentralrat der Muslime. Jedem müsse klar sein, dass vor dem Gesetz eine Hochzeit in der Moschee ohne Belang sei, sagte der Vorsitzende Ayyub Axel Köhler am Dienstag.
In der Zwickmühle sieht sich auch die evangelische Kirche (EKD), wenn auch aus anderem Grund. Denn nach der Reform wäre es künftig möglich, zwei Partner zu heiraten: den einen kirchlich, den anderen standesamtlich. Um eine Doppelehe auszuschließen, von der zudem nur eine rechtliche Wirkung entfalten würde, will die EKD wie auch die Bischofskonferenz zwar an die im Kirchenrecht verankerte Vorbedingung einer staatlichen Ehe festhalten. In einem solchen Falle müsste die Kirche jedoch Heiratswillige ablehnen, sofern sie sich nicht auch staatlich trauen wollen. "Ich kann mir nicht vorstellen, Pärchen dann ergebnislos von dannen ziehen zu lassen", sagte EKD-Sprecher Christof Vetter. "Dann wäre aber eine Doppelehe nicht auszuschließen."
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Berlinale-Rückblick
Verleugnung der Gegenwart
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
Nichtwähler*innen
Ohne Stimme