: Angst vor der Versenkung
■ Der BFC Dynamo hat immer noch nicht genug Sponsoren. Im nächsten Sommer entscheidet sich die Zukunft des einstigen Renommierklubs
Volkmar Wanski wirkte gereizt. „Berlin ist nicht Zwickau“, rief der Präsident des BFC Dynamo seinem Manager Horst Göhler hinterher, als der sich vor zwei Wochen nach einer Herzattacke in die sächsische Heimat abmeldete. Dass Göhler an seinen Arbeitsplatz im Sportforum Hohenschönhausen zurückkehrt, scheint ausgeschlossen. „Manager wie ihn hatte ich schon einige, die kosten nur Geld“, stellte der Ober-Dynamo resigniert fest.
Wanski verübelt seinem Noch-Angestellten, dass er nicht genügend Sponsoren besorgt hat für den früheren Fußball-Rekordmeister der DDR. Auch ein Wirtschaftskonzept liege nicht vor. „Göhler hat den Mund zu voll genommen.“ Der Gescholtene, der im Februar sein Amt antrat, rechtfertigt sich: „Man kann die wirtschaftliche Basis des Vereins nicht von heute auf morgen verbreitern. Wir müssen in kleinen taktischen Schritten vorgehen.“ Doch der Präsident ist mit der Geduld am Ende, seitdem er sich im Oktober bei der Mannschaft für die Überweisung der August(!)-Gehälter entschuldigen musste.
Die Angst, endgültig in der Versenkung zu verschwinden, geht um beim nur noch drittklassigen einstigen Renommierklub. Der Lorbeer aus vergangenen Europapokal-Jahren mit Highlights gegen Glasgow und Wien ist verwelkt. Heute heißen die Gegner Eisenhüttenstadt oder Plauen. Im nächsten Sommer, wenn sich lediglich die sieben besten Amateurvereine aus dem Nordosten für die zweigeteilte bundesweite 3. Liga qualifizieren, ist es so weit. „Wenn wir das nicht packen“, unkt der BFC-Boss, „gehen im Sportforum die Lichter aus.“
Je näher der Termin rückt, desto schneller dreht sich das Personenkarussell: Drei Cheftrainer verschliss Dynamo in der vorigen Saison. Einer warf in der Halbzeitpause des Lokalderbys gegen den 1. FC Union freiwillig das Handtuch, weil ihm der Präsident die Mannschaftsaufstellung diktieren wollte. Volker Steinke, der Vorgänger von Manager Göhler, scheiterte am fehlenden Fußball-Verstand. Der Mathematiker sowie Schwierigervater Wanskis verdingte sich lieber als Mitarbeiter der PDS-Bundestagsfraktion.
Die Leute kommen und gehen. Die Sorgen bleiben. Der Rückhalt in der Bevölkerung ist gering, Sponsoren werden abgeschreckt von der gewalttätigen Fraktion im BFC-Anhang. Ohne Wanski wären wohl längst die Lichter ausgegangen. Seit September 1995 ist er Präsident und buttert kräftig zu.
Aber der Geldbedarf steigt. „Der Verein ist in ganz neue Dimensionen vorgestoßen“, erklärt der herzkranke Göhler. Der Etat für die laufende Saison ist gegenüber dem Vorjahr auf 2,3 Millionen Mark nahezu verdoppelt worden. „Nur zwei Mitglieder hängen sich wirklich rein, der Rest klopft große Sprüche“, donnert der Dynamo-Präsident. Im ambitionierten Haushaltsentwurf klafft deshalb eine Deckungslücke von rund 800.000 Mark.
Als Eigentor könnte sich die Rückbenennung des Klubs in BFC Dynamo erweisen, die im Mai auf Druck der nostalgischen Basis erfolgte. Im Februar 1990 war der Lieblingsclub Erich Mielkes in FC Berlin umbenannt worden, um den schlechten Ruf aus DDR-Zeiten loszuwerden. Mit der jetzigen Kehrtwende, versichert Wanski, wollte man ausschließlich an die große sportliche Tradition des Serien-Champions anknüpfen. Aber der Geschäftsmann Göhler weiß, wie die Mai-Revolution in der Realität ankam: „In der Wirtschaft hat der Beschluss nicht gerade Euphorie ausgelöst.“ Jürgen Schulz
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