Angst vor Aufweichung der Exportregeln: Mit zivilem Ungehorsam gegen Panzer
Friedensaktivisten wollen den Export von deutschen Kampfpanzern nach Saudi-Arabien verhindern. Es wird die Aufweichung der Richtlinien von Rüstungsexporten befürchtet.
BERLIN taz | Für Kritiker ist es eine Aufweichung der Rüstungsexportregeln durch die Hintertür: In ihrem Koalitionsvertrag haben Union und FDP vereinbart, dass das Außenwirtschaftsgesetz und die Außenwirtschaftsverordnung „entschlackt“ werden und bei Rüstungsgütern eine „Harmonisierung mit der Genehmigungspolitik der anderen EU-Staaten“ angestrebt wird.
Sollte das noch in dieser Legislaturperiode passieren, müsste in den kommenden Wochen ein Entwurf vorgelegt werden, sagte der Berliner Friedensforscher Ottfried Nassauer am Freitag in Berlin. Er befürchtet eine „Harmonisierung nach unten“. Sprich: Für den Export „sonstiger Rüstungsgüter“ wären dann bestimmte Genehmigungen nicht mehr nötig.
Wegen einer geplanten Lieferung von 600 bis 800 Kampfpanzern nach Saudi-Arabien steht die Bundesregierung seit einem Jahr unter heftiger Kritik. Zuletzt wurde bekannt, dass Indonesien 100 ausrangierte deutsche Leopard-Panzer kaufen will.
Die zivilgesellschaftlichen Friedensorganisationen haben ihre Chance erkannt. Den Sommer über wollen rund 40 Organisationen, die sich in dem Bündnis „Aktion Aufschrei“ zusammengeschlossen haben, mit einer Vielzahl von Aktionen gegen Waffenexporte protestieren.
„Öffentliche Selbstverpflichtung zu Protest und Zivilem Ungehorsam“
Einige von ihnen haben mehr im Sinn, als Protestpostkarten verschicken. Mehrere Dutzend Personen aus einem breiten Spektrum von Kirchen- bis Gewerkschaftsleuten haben eine „öffentliche Selbstverpflichtung zu Protest und Zivilem Ungehorsam“ unterschrieben. Sie wollen „gewaltfreie Aktionen bis hin zu zivilem Ungehorsam“ durchführen. „Es muss den Herrschenden schon ein bisschen wehtun“, sagte Peter Grottian, emeritierter Politologe der FU Berlin.
Die Aktionen sollen sich auf die Orte konzentrieren, die mit dem Panzerhersteller Krauss-Maffei Wegmann zu tun haben. Ende August etwa wollen die Aktivisten Kanzlerin Angela Merkel als Panzerkommandantin an öffentliche Gebäude in Berlin projizieren. Auch gegen den Kleinwaffenhersteller Heckler & Koch soll protestiert werden. Das Orchester „Lebenslaute“ will am 3. September in Oberndorf am Neckar vor den Werkstoren aufspielen.
Drei Viertel der Deutschen sind gegen Rüstungsexporte
Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik gebe es die Chance, Waffenexporte zu verhindern, erklärte Grottian. Er verwies auf Umfragen, nach denen sich rund drei Viertel der Deutschen grundsätzlich gegen Rüstungsexporte aussprechen. Christine Hoffmann von Pax Christi, die Sprecherin des Aktionsbündnisses, musste aber einräumen: Noch habe die Bewegung nicht das Mobilisierungspotenzial, wie es die Antiatomkraftbewegung nach dem Reaktorunfall von Fukushima hatte.
Leser*innenkommentare
Kritischbleiben
Gast
Waffen bleiben Waffen. Sie sind dafür da, um Menschen zu töten oder zumindest zu verletzen! Bisher konnte nirgendwo zu keiner Zeit ein Konflikt langfristig durch Krieg, Waffen und Gewalt gelöst werden. Laut Ihres Kommentars könnten man denken, dass Sie die Meinung "Geld vor Menschenleben" vertreten. Es stimmt zwar, dass Deutschland dann alternative Waffenexporteure den Rang ablaufen. Aber ich denke, Gewinne basierend auf Blut, Menschenrechtsverletzung oder Völkermord sollten es niemals wert sein. Oder möchten Sie ihr Geld verdienen, an denen das Blut von Kindern, Frauen und anderen hängt? Lieber kein Geschäft, als ein unmoralisches Blutgeschäft!
val
Gast
"Deutsche Welle TV International" - beschreibt Saudi Arabien nicht als "dictatorship" sondern als "conservative authoritarian"...
Inge Borg
Gast
Ich finde es gut, dass Deutschland Waffen produziert und auch exportiert. Falls es verboten wird, dann freuen sich eben andere über die nun freigewordenen Märkte, die vorher von den deutschen Exporteuren besetzt werden. Es bringt einfach nichts. Es müssen Kriege verhindert, Regionen befriedet und demokratisiert werden. Der Bedarf ist das Problem, nicht das Angebot.