: Angst essen Zähne auf
Etwa fünf Prozent aller Menschen haben eine ernst zu nehmende Zahnarztphobie. Eine Verhaltenstherapie, eine Zahnbehandlung unter Hypnose oder eine Vollnarkose können den Gang in eine Dentalpraxis erleichtern
Wohlfühlen beim Zahnarzt – das ist für die meisten ein Ding der Unmöglichkeit. Im Gegenteil bekommt es das Gros der Deutschen beim Thema „Zahnbehandlung“ mit Angst zu tun: 60 bis 80 Prozent befällt ein flaues Gefühl, bis zu 20 Prozent gelten als hoch ängstlich, weitere 5 Prozent entwickeln eine regelrechte Phobie und machen einen weiten Bogen um Dentalpraxen, berichtet der Informationskreis Mundhygiene und Ernährungsverhalten.
„Ich war fast zwanzig Jahre nicht mehr beim Zahnarzt“, bekennt ein Mann im Internet. „Wenn ich mich mit jemanden unterhalte, muss ich immer aufpassen, dass ich nicht lachen muss. Sonst wird es peinlich.“ Die empfundene Scham ist in der Regel groß – die Angst jedoch größer. Sie schränkt die Lebensqualität stark ein und führt mitunter in die soziale Isolation.
Eine Oralphobie kann jeden treffen. Frauen gelten gemeinhin als ängstlicher als Männer, doch kanadische Wissenschaftler bezweifeln das. In einer Studie gestanden Frauen zwar zweieinhalbmal so häufig Zahnbehandlungsängste wie die männlichen Befragten. Doch die Forscher glauben, dass Männer einfach seltener über ihre Ängste reden. Für diese Annahme spreche, dass das starke Geschlecht auf besondere Weise schwächle. Gerade junge, gesunde Männer würden in Zahnarztpraxen oft ohnmächtig, berichten die Zahnmediziner.
„Oftmals liegen die Ursachen für die Angst beim Zahnarzt in einer früheren Behandlung, etwa, weil der Arzt zu wenig informiert hat oder die Schmerzen größer waren als erwartet“, weiß Diana Svoboda, zahnärztliche Leiterin der diPura-Zahnklinik in Essen. Nicht selten beginnt das Martyrium in der Kindheit, weil ein Arzt wenig Feingefühl besitzt. „Ich wurde als Kind festgehalten, und man fügte mir gewaltsam eine Mundsperre ein“, berichtet beispielsweise eine 33-jährige Frau. „Seit diesem Tag war ich nicht mehr beim Zahnarzt.“ Der Beginn eines kummervollen Kreislaufs: Je länger jemand nicht zum Dentisten geht, desto schlechter werden seine Zähne. Und je schlechter die Zähne, desto größer wiederum seine Angst.
Dabei sind die Folgen von Zahnbehandlungsangst fatal. Nicht nur das Gebiss verrottet, sondern die gesamte Gesundheit kann in Mitleidenschaft gezogen werden. Zum Beispiel erhöht eine nicht behandelte Zahnfleischentzündung die Wahrscheinlichkeit für eine Herzerkrankung um mehr als das Zweifache. Schwangere haben mit einer solchen unbehandelten Parodontitis, ein achtmal größeres Risiko einer Frühgeburt.
Was aber nimmt Angst vorm Zahnarzt? Zunächst einmal sollte ein Arzt sich genug Zeit für einen Angstpatienten nehmen und mit ihm gemeinsam klären, wie stark die Furcht ist. Schlägt das Herz schon bei der Terminvereinbarung bis zum Hals? Treibt die Angst erst im Behandlungsstuhl Schweißperlen auf die Stirn? Bleibt beim Sirren des Bohrers die Luft weg? Viele bewältigen ihre Ängste durch genaue Informationen über den Ablauf der Behandlung, andere wollen möglichst gar nichts wissen.
Ablenken und Entspannen sind gute Mittel gegen leichte Furcht. Bewährt haben sich Autogenes Training und Progressive Muskelentspannung. Jedoch braucht es etwas Zeit, um diese Techniken zu beherrschen. Machen Panikattacken eine Zahnbehandlung völlig unmöglich, kann Hypnose helfen. Viele Dentisten haben inzwischen durch eine Zusatzausbildung bei der Deutschen Gesellschaft für Zahnärztliche Hypnose (DZGH) gelernt, wie sie Patienten in einen Trancezustand versetzen können.
Eine andere Möglichkeit ist die Behandlung unter Vollnarkose. Die positive Erfahrung versetze Patienten in die Lage, später ohne Panik zum Zahnarzt zu gehen, sagt Michael Leu von der Gentle Dental Office Group, die Zähne unter totaler Betäubung behandelt. „Die Zahnarztphobie weicht einer normalen auszuhaltenden Angst.“ Wer auch die loswerden will, kann es mit einer Verhaltenstherapie probieren. Dabei setzen Psychotherapeuten am häufigsten auf die „Systematische Desensibilisierung“ – einer Kopplung aus Progressiver Muskelrelaxion und zunächst gedanklicher, dann realer Bewältigung einzelnen Angstreize. So arbeitet sich der Patient Schritt für Schritt zu ihn sehr belastenden Behandlungssituationen vor. Studien zufolge hilft eine Verhaltenstherapie rund 70 Prozent der Angstpatienten.
MARTINA JANNING
Zahnbehandlung unter Vollnarkose: www.zahnarztangst.de; Hypnosezahnärzte: www.dzgh.de