Angriff gegen Basketballer LeBron James: Halt’s Maul und dribble!
LeBron James wird kritisiert – von Zlatan Ibrahimović. Auf so etwas hat er schon einmal reagiert: mit einer Doku über politische Sportler.
L eBron James hat einen Ratschlag bekommen. Und zwar von jemand, der sich selbst als größeren Sportler ansieht, Zlatan Ibrahimović. Der Fußballer riet dem Basketballer gönnerhaft, er solle sich aus der Politik raushalten. „Das ist der erste große Fehler, den Menschen machen, wenn sie berühmt werden und einen gewissen Status erreichen. Halt dich da raus. Mach einfach das, was du am besten kannst.“
LeBron James hat sich während und nach seiner NBA-Karriere immer politisch geäußert: gegen Polizeigewalt, für Menschen, die in der amerikanischen Gesellschaft an den Rand gedrängt werden, gegen Donald Trump. Daher kommt James die Aufforderung, die Ibrahimović im schwedischen Discovery+-Kanal äußerte, nicht unbekannt vor. Nachdem er in einem Podcast den damaligen US-Präsidenten Donald Trump kritisiert hatte, wurde er von Fox-News-Moderatorin Lara Ingraham angeherrscht, er solle doch bitte das Maul halten: „Shut up and dribble!“
Halt’s Maul und spiel! Das ist ja, etwas verkürzt, auch die Botschaft Zlatans. Dem wird gerade vorgeworfen, in einem italienischen Pokalspiel Romelu Lukaku rassistisch beleidigt zu haben. Dazu sagte LeBron James nichts, aber auf die Kritik an ihm hat er geantwortet: Er spreche selbstverständlich weiter über seine Themen, „weil ich einmal ein Teil meiner Community war und die Dinge gesehen habe, die vor sich gingen. Und weil ich weiß, was noch vor sich geht. Und weil ich über 300 Kinder an meiner Schule habe, die dasselbe durchmachen, und die brauchen eine Stimme. Ich bin ihre Stimme.“
Auch als LeBron James von der Fox-News-Moderatorin gemaßregelt wurde, hatte er geantwortet: Er wurde prompt Koproduzent einer Dokumentarfilmreihe, der er den bei Lara Ingraham geborgten Titel gab: „Shut Up and Dribble.“
Verschobenes Machtgefüge
Die sechsteilige Serie erzählt die Geschichte afroamerikanischer Sportler, die sich weigerten, ihr Maul zu halten, oft unter Inkaufnahme weit größerer Risiken als heute James oder Colin Kaepernick.
Sie beginnt etwa mit dem großen Bill Russell, der sich in den 60er Jahren weigerte, so zu spielen, wie die weißen Trainer ihm das vorschrieben, der im zerrissenen Mississippi Basketball-Camps anbot und auch als erster schwarzer NBA-Trainer kein Blatt vor den Mund nahm. Es geht weiter mit Persönlichkeiten wie Oscar Robertson, der faire Bezahlung für schwarze Sportler forderte, und seziert noch einmal die unglückliche Rolle von Larry Bird als „weiße Hoffnung“ in einem Sport, der für manche zu schwarz geworden war. Er stellt die angepassten Jordan-Jahre der Gegenbewegung von „Ghetto“-Spielern wie Alan Iverson oder Ron Artest gegenüber und landet schließlich bei James selbst, der durch seinen großen Trade nach Miami das Machtgefüge im Basketball zugunsten der Spieler verschob und somit die Tür für stärkeren Aktivismus aufstieß.
In dem aktuellen Film „One Night in Miami“ der Regisseurin Regina King wird an die Nacht des 25. Februar 1964 erinnert und was da in einem schäbigen Motelzimmer in Miami passiert ist. Dort hielt, so erzählt es der Oscar-nominierte Film, Malcolm X die folgenreichste Rede seiner politischen Laufbahn, und zwar vor gerade einmal drei Zuhörern: der Boxer Muhammad Ali, der damals noch Cassius Clay hieß, der Soul-Musiker Sam Cooke und der Football-Star Jim Brown.
Sie waren, das ist historisch belegt, zusammengekommen, um die erste Box-Weltmeisterschaft von Clay gegen Sonny Liston zu feiern. Die Sportler Clay und Brown sowie der Entertainer Cooke, so lässt Regina King in ihrem Film Malcolm X sagen, hätten gar nicht die Wahl, politisch neutral zu bleiben. „Wir kämpfen um unser Leben“, bläut X den schwarzen Identifikationsfiguren ein. Still zu bleiben und brav den Unterhalter für den weißen Mann zu spielen käme einer Komplizenschaft gleich. „Silence is Violence.“
Laut King zeigte die Nacht eine tiefe Wirkung. Clay entschloss sich angeblich nach dieser Nacht, sich endgültig der Nation of Islam anzuschließen, seinen Namen zu ändern und mit seinem Protest gegen den Vietnamkrieg seine Karriere aufs Spiel zu setzen. Der Rest ist, wie man sagt, Geschichte.
Im Grunde ist es gleichgültig, ob Malcolm X das damals tatsächlich so gesagt hat. Clay und Cooke und Brown und viele andere hatten ihre Plattform genutzt, um sich einzumischen, und dabei alles riskiert. Sie waren Pioniere und Vorbilder für die heutige Generation von amerikanischen Künstlern und Sportlern, die immer mehr die Verpflichtung zur Einmischung verinnerlicht haben.
Zlatan Ibrahimović hat einen Gedanken geäußert, der in Europa populär sein mag, über den in den USA aber viele Menschen schon längst hinweg sind. Außer den Leuten von Fox News.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Analyse der US-Wahl
Illiberalismus zeigt sein autoritäres Gesicht
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos