"Angriff auf einen ausländischen Staatschef": Schuhwerfer von Bagdad vor Gericht
Der irakische Journalist Muntasser al-Saidi muss sich für seinen Wurf auf Expräsident Bush vor einem Gericht verantworten, das für Terrorismus zuständig ist.
Eigentlich ist das zentrale Strafgericht in der schwer bewachten Grünen Zone in Bagdad für Terror-Fälle zuständig. Am Donnerstag steht dort aber eine arabische Heldenfigur vor Gericht, die mit einer ganz neuen Art von Waffe kämpfte: Muntasser al-Saidi, jener irakische Journalist, der am 14. Dezember beim Abschiedsbesuch von US-Präsident George W. Bush während einer Pressekonferenz seine Schuhe auszog und sie Bush mit den Worten "ein Abschiedskuss für dich, du Hund" entgegenschleuderte.
Ihm drohen nach irakischem Recht 5 bis 15 Jahre Gefängnis für einen "Angriff auf einen ausländischen Staatschef". Das Gericht hatte zuvor abgelehnt, den Fall als "Beleidigung eines ausländischen Staatschef" abzuhandeln, eine Anklage, auf die 1 bis 5 Jahre stünden. Sein Anwalt Dhiza al-Saadi argumentiert, dass die Schuhwerfaktion von der Meinungsfreiheit gedeckt sei und dass das Gericht die Anklage fallen lassen solle, zumal es sich bei Schuhen nicht um eine "tödliche Waffe" handle.
Der Prozess war ursprünglich für den 31. Dezember angesetzt worden. Wegen der irakischen Provinzwahlen Ende Januar wurde er jedoch verschoben, um zu vermeiden, dass das Thema im Wahlkampf ausgeschlachtet wird.
Der Fall hatte nicht nur in der arabischen Welt allerlei bizarre Reaktionen hervorgerufen. Ein eiligst konzipiertes Internetspiel (www.sockandawe.com), bei dem man es Muntasser virtuell nachmachen kann und versuchen muss, den sich wegduckenden Bush mit Schuhen zu treffen, wurde inzwischen 85 Millionen Mal angeklickt. Andere bevorzugten eher die echte Nachahmung, wie ein chinesischer Student, der am 2. Februar den chinesischen Premier Wen Jiabao bei einer Rede an der Cambridge University mit Schuhen bewarf. Die türkische Firma, die die Schuhe Muntassers hergestellt hatte, konnte sich vor Aufträgen nicht mehr retten. Über 100.000 Nachfragen gingen dort ein.
Andere waren mehr an der Person des Werfers interessiert. Der Ägypter Saad Gumma aus Minya im Süden des Landes bot Muntasser die Hand seiner Tochter an. Er sei bereit, die vollen Hochzeitskosten zu übernehmen. Die Tochter, eine Studentin an der Kunstakademie, ist nach eigenen Aussagen gegenüber der Presse bereit, "den Helden, der das getan hat, was bisher niemand gewagt hatte", sofort zu heiraten.
Wieder andere wollten ihm ein Denkmal setzen. Wie der irakische Künstler Laith al-Amari, der in Tikrit, der Geburtsstadt Saddam Husseins, im Januar feierlich vor 400 Gästen seine bronzefarbene überdimensionale Schuhstatue aus Fiberglas mit den Worten "eine Quelle des Stolzes für aller Iraker" einweihte. Einen Tag darauf wurde das Kunstwerk allerdings von den lokalen Behörden kommentarlos abgerissen.
Die Angelegenheit kursierte auch als Witz per SMS auf arabischen Handys: "Bei der Einreise in die USA wird nicht mehr nur Name, Nationalität und Passnummer, sondern auch die Schuhgröße abgefragt", hieß es da etwa. Oder: "Das Pentagon hat den Aufbau eines Schuh-Abwehrsystems in Auftrag gegeben."
Doch der nur wenige Minuten dauernde Auftritt vor internationalen Publikum könnte Muntasser jetzt teuer zu stehen kommen. Falls er glimpflich davonkommt, könnte er den Irak schnell verlassen. Laut dem Genfer Anwalt Mauro Poggia wurde dieser von der Familie des Schuhwerfers kontaktiert, um die Möglichkeit für politisches Asyl in der Schweiz zu erkunden. Wenn er erst einmal in Genf angekommen sei, schlägt Poggia vor, könne Muntasser dort als Journalist bei der UNO arbeiten.
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