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Angriff auf Reporterin in TschetschenienHel­d*in­nen von heute

Kommentar von Barbara Oertel

Kritik ist in Tschetschenien gefährlich. Nun leitet Moskau Ermittlungen zur geschlagenen Journalistin Milaschina ein. Es dürfte wenig dabei herauskommen.

Die Investigativjournalistin Elena Milaschina geht mit ihren Verletzungen an die Öffentlichkeit Foto: Anna Artemyeva/ap

W er sich mit Menschenrechten in Tschetschenien und denen, die sich für sie einsetzen, beschäftigt, wird bescheiden. Im Falle der Investigativjournalistin Jelena Milaschina und ihres Anwalts Alexander Nemow, die letzten Dienstag auf dem Weg zu einem Gerichtsprozess in der russischen Teilrepublik krankenhausreif geprügelt wurden, heißt das: Immerhin – sie sind mit dem Leben gerade noch einmal davon gekommen.

Kri­ti­ke­r*in­nen kaltblütig zur Strecke zu bringen, hat in Tschetschenien Methode. Präsident Ramsan Kadyrow, der seit 16 Jahren an der Macht ist, hat mit Duldung Moskaus ein veritables Terrorregime errichtet. Stellvertretend für viele sei an Anna Politkowskaja erinnert, die 2006 in Moskau erschossen wurde. Die Journalistin berichtete über Tschetschenien für die oppositionelle Nowaja Gazeta. Dort ist auch Jelena Milaschina tätig.

Sie geht, wie alle anderen Mit­ar­bei­te­r*in­nen auch, ein besonders hohes Risiko ein, seit diesem Medium in Russland die Lizenz entzogen wurde. 2009 wurde die russisch-tschetschenische Menschenrechtsaktivistin Natalja Estemirowa regelrecht hingerichtet. Dass, jenseits von Bauernopfern, die Täter für ihre Verbrechen zur Verantwortung gezogen worden wären, ist nicht überliefert.

Und jetzt wieder business as usual? Nicht ganz. Aus dem Kreml verlautete, schnell eine Erklärung abgeben zu müssen, genauso wie Kadyrow, wenngleich die Aussage seines tschetschenischen Informationsministers, der Überfall trage die Handschrift westlicher Geheimdienste, komplett absurd ist. Angeblich wurde nach einer entsprechenden Intervention zweier Moskauer Abgeordneter bei der Generalstaatsanwaltschaft sogar ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.

Die Jagd auf Jour­na­lis­t*in­nen geht weiter

Einmal abgesehen davon, dass dieses ins Leere laufen dürfte, Fakt ist: Die Reaktionen lassen tief blicken. Denn so einiges deutet darauf hin, dass wir es mit den Nachwehen des kurzlebigen Aufstandsversuches von Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin zu tun haben. Anders gesagt: Moskau befürchtet, auch die Situation in Tschetschenien könnte aus dem Ruder laufen.

Und Kadyrow, dessen Kämpfer in der Ukraine in ihrer Brutalität den Wagner-Leuten in nichts nachstehen, könnte durch seine Alleingänge das gesamte Regime in Russland destabilisieren. Aber auch ein anderes Szenario ist nicht abwegig. Kadyrow hat sich in Tschetschenien viele Feinde gemacht. Und die könnten jetzt damit anfangen, alte und neue Rechnungen zu begleichen.

Wer auch immer hinter diesem menschenverachtenden Angriff steckt – die Jagd auf diejenigen, die nicht schweigen wollen, wird weiter gehen, ob in Tschetschenien oder anderswo in Russland. Das nächste Mal könnte sie wieder tödlich enden.

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Ressortleiterin Ausland
Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.
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