Angola nach den Wahlen: Jetzt hilft nur Transparenz

Angola befindet sich nach den fragwürdigen Wahlen in einer gefährliche Phase. Nur noch die Offenlegung aller Ergebnisse kann die Lage entschärfen.

Eine Frau trägt Brote auf dem Kopf, sie läuft an einer Polizeikette vorbei

Alltag in Luanda nach der Wahl, 25. August 2022 Foto: Siphiwe Sibeko/reuters

Angola steht nach umstrittenen Wahlen am Scheideweg. Ein Aufbruch des seit der Unabhängigkeit von Portugal 1975 ununterbrochen von der Volksbewegung für die Befreiung Angolas (MPLA) regierten Landes in eine neue Ära der Mehrparteiendemokratie ist ebenso möglich wie ein Rückfall in autokratische Repression. Internationale Akteure haben auf den Ausgang begrenzten Einfluss, sollten sich aber dennoch klar für die Einhaltung absoluter demokratischer Mindeststandards positionieren.

Wie im Vorfeld von vielen Be­ob­ach­te­r*in­nen prognostiziert, ist die MPLA bei den Wahlen erheblich unter Druck geraten. Laut offiziellem Ergebnis konnte sie zwar mit 51,17 Prozent gerade noch die absolute Mehrheit erringen und ihrem Parteiführer João Lourenço eine weitere Amtszeit als Präsident bescheren. Das Ergebnis wird jedoch von der unterlegenen Opposition um Adalberto Costa Júnior (UNITA) angefochten.

Eine formelle Beschwerde wurde durch das Verfassungsgericht abgelehnt, unterdessen war die Armee vorsorglich in „erhöhte Kampfbereitschaft“ versetzt worden. Am Donnerstag fand unter schweren Sicherheitsvorkehrungen die erneute Amtseinführung statt.

Diese Entwicklungen haben auch über die Landesgrenzen hinaus Relevanz: Als einer der größten afrikanischen Ölexporteure ist das Land eine bedeutende Regionalmacht; auch Deutschland bezeichnet Angola als „strategischen Partner“. Zudem dürften andere dominierende Parteien im südlichen Afrika wie der ANC in Südafrika, Frelimo in Mosambik oder SWAPO in Namibia die Kontroverse aufmerksam verfolgen und daraus ihre Schlüsse für den Umgang mit politischen Herausforderern im jeweils eigenen Land ziehen.

Tiefe Frustration in den gebildeten Schichten

Vor allem dank der angolanischen Zivilgesellschaft gibt es diesmal für die Einordnung der seitens UNITA vorgebrachten Beschwerden eine bessere Grundlage als noch bei den ebenfalls umstrittenen vorherigen Wahlen 2017. Neben Belegen für diverse lokale Unregelmäßigkeiten verbreiteten Ak­ti­vis­t*in­nen vielfach Fotos der obligatorischen Ergebnisaushänge direkt an den einzelnen Wahllokalen. Diese deuten stark darauf hin, dass die MPLA vor allem in der Hauptstadt Luanda und anderen größeren Städten deutlich unterlegen war. Zumindest für Luanda spiegelt sich dies auch im offiziellen Ergebnis wider.

Das schlechte Ergebnis der MPLA ist Ausdruck einer tiefen Frustration der gebildeten Bevölkerungsschichten

Dies allein ist eine beachtliche Entwicklung, da die MPLA historisch stark in diesen urbanen Zentren verankert ist. Die UNITA hingegen konnte sich erst bei diesen Wahlen wirklich vom Image einer Rebellenarmee lösen, die sich im bis 2002 anhaltenden Konflikt oft als Vertreterin des Hinterlands inszenierte und zeitweise erhebliche Teile des Territoriums kontrollierte.

Das schlechte Ergebnis der MPLA vor allem in Luanda ist Ausdruck einer tiefen Frustration gerade in gebildeten Bevölkerungsschichten darüber, dass die Partei den Ressourcenreichtum des Landes kaum in breite Wohlstandsgewinne umgemünzt hat. Daran änderten auch massive In­fra­struk­tur­in­ves­ti­tionen und ein durch hohe Ölpreise begünstigtes Strohfeuer des Wirtschaftswachstums in den ersten Jahren nach Ende des Bürgerkriegs nichts. Stattdessen eskalierte die Konzentration des Reichtums in den Händen einer kleinen Gruppe politisch vernetzter Personen, die diesen zudem vor allem in der Hauptstadt oft ostentativ zur Schau stellen.

Dass die MPLA in der ländlichen Peripherie, wo die zivilgesellschaftliche Beobachtung weniger engmaschig war, Erfolge erzielt haben könnte, ist nicht ausgeschlossen. Dass diese aber ausgereicht haben sollten, um die Verluste in den bevölkerungsreichen Städten auszugleichen, wird von vielen Ver­tre­te­r*in­nen in Opposition und Zivilgesellschaft in Frage gestellt. Bezeichnenderweise hat die nationale Wahlkommission CNE lediglich Ergebnisse auf Provinzebene veröffentlicht.

Wahlmanipulation nur das letzte Mittel

Die Wahlbeobachtungsmissionen der Gemeinschaft portugiesischsprachiger Länder (CPLP), der Afrikanischen Union und der Entwicklungsgemeinschaft für das südliche Afrika (SADC) sowie andere internationale Akteure sind bisher um klare Worte verlegen. Es ist richtig, die Wirkung der eigenen Kommunikation vor Ort sorgfältig abzuwägen – eine allzu lautstarke Positionierung des Auslands ist nicht immer das richtige Mittel.

Bedenklich ist aber, dass etwa seitens des früheren portugiesischen Vizepremiers Paulo Portas, der vor Ort als Wahlbeobachter fungierte, der Fokus bereits kurz nach den Wahlen auf mögliche Verhandlungen zwischen MPLA und UNITA gerichtet wurde. Die bloße Herstellung von Transparenz und schlüssige Aufbereitung des Wahlergebnisses darf nicht politische Verhandlungssache werden.

Wie in vielen von dominanten Parteien geführten Ländern ist auch in Angola unmittelbare Manipulation am Wahltag nur das letzte Mittel, um ihre Wiederwahl zu sichern. Noch gewichtiger sind längerfristige Aspekte wie parteiische Staatsmedien und der parteipolitisch motivierte Einsatz staatlicher Ressourcen, die den Machthabern strukturell massive Vorteile verschaffen.

Wenn es in so einem Umfeld der Opposition trotzdem gelingt, ein knappes Wahlergebnis zu erzielen, sollten sich demokratische internationale Partner zumindest klar für eine korrekte Durchführung des Wahlvorgangs im engsten Sinne (inkl. einer nachvollziehbaren Auszählung) einsetzen. Ansonsten wird das Risiko immer größer, dass sich frustrierte Oppositionelle anderen, womöglich gewaltsamen Formen des Widerstands zuwenden.

Unterstützung prodemokratischer Akteure

Für Angola steht nun viel auf dem Spiel. Nach der Amtseinführung Lourenços stehen alle Zeichen darauf, dass eine Plausibilisierung der Wahlergebnisse ausbleiben und die Regierung beim Umgang mit etwaigen Protesten auf Abschreckung setzen wird. Angolas demokratische Partner sollten daher in Kenntnis der Grenzen des eigenen Einflusses Position beziehen und auch im weiteren Verlauf Optionen zur Unterstützung pro-demokratischer Akteure bestmöglich ausreizen.

Es ist unwahrscheinlich, dass die jahrelang um diversifizierte Außenbeziehungen bemühte MPLA sich bei der ersten Kritik noch stärker in die Arme von China oder Russland werfen wird. Trotz Alternativen bleiben demokratische Industrieländer als strategische Partner für Angola attraktiv – zu einer solchen Partnerschaft muss auch eine ehrliche Kommunikation in Wertefragen gehören.

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