Angeblicher Bremer Bamf-Skandal: Der Skandal, der keiner war
Laut Staatsanwaltschaft soll die ehemalige Bremer Bamf-Chefin in 121 Fällen Straftaten begangen haben. Geblieben ist von den Vorwürfen fast nichts.
Mehr als ein Jahr lang lag die 250-seitige Anklageschrift bis Anfang November beim Bremer Landgericht. Das entschied dann: Nur eine Handvoll Fälle sind überhaupt verhandlungswürdig.
Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft hatte B. dafür gesorgt, dass Asylbewerber:innen Aufenthaltstitel erteilt worden waren, obwohl sie nach den Dublin-Regeln in andere EU-Länder hätten abgeschoben werden müssen.
Als dieser vermeintliche Skandal im Frühjahr 2018 publik wurde, prägte er auch bundespolitisch die Asyldebatte. Da war sogar noch von tausenden Fällen, von Bestechung und Korruption die Rede. Doch vom „unfassbaren Asyl-Betrug“, der wochenlang durch die Medien waberte, blieb nicht viel übrig.
Menschenrechte vor Dublin-Verfahren
In der Zwischenzeit wurden viele der als Straftaten gewerteten Aufenthaltserteilungen von Verwaltungsgerichten als rechtmäßig anerkannt. Denn abgeschoben werden darf ein Mensch nur, wenn ihm keine menschenrechtswidrige Behandlung im Aufnahmeland droht. Laut dem Europäischen Gerichtshof und dem Bundesverwaltungsgericht ist das zum Beispiel in Bulgarien aber oft der Fall.
Die Bremer Staatsanwaltschaft, die viel Aufwand in die Ermittlungen gesteckt hatte, gab Ende November klein bei: Beschwerde gegen die nicht zugelassenen Klagen wolle sie nicht einlegen. So dürften im kommenden Jahr noch einige wenige Vorwürfe vor Gericht verhandelt werden.
Viel mehr, als dass B. etwa zwei Hotelübernachtungen im Wert von 65 Euro nicht ordnungsgemäß abgerechnet haben soll, bleibt von diesem vermeintlichen Skandal nicht übrig.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Deutungskampf nach Magdeburg
„Es wird versucht, das komplett zu leugnen“
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Aktionismus nach Magdeburg-Terror
Besser erst mal nachdenken
Gedenken an den Magdeburger Anschlag
Trauer und Anspannung