Angeblich rechter Polizist: Der V-Mann und der Schredder
Ein V-Mann behauptete, dass ein Polizist Neonazis im NSU-Umfeld Infos steckte. Just über diesen Spitzel wurden beim Verfassungsschutz Akten geschreddert.
BERLIN taz | Die angeblichen Kontakte eines Thüringer Polizisten in das frühere Umfeld der NSU-Mörder haben in den vergangenen Tagen schon für große Aufregung gesorgt, bis hin zu Rücktrittsforderungen an den Innenminister des Landes.
Nun werfen Recherchen der taz neue Fragen auf. Demnach gibt es Verbindungen zwischen dem Fall und der Aktenschredderei beim Bundesamt für Verfassungsschutz im Herbst 2011.
Einer der bezahlten Informanten des Bundesamts für Verfassungsschutz, dessen V-Mann-Führungs-Akten bei der bis heute ungeklärten Lösch-Aktion vernichtet worden waren, trug den Tarnnamen „Tusche“. Genau dieser V-Mann „Tusche“ war es auch, der laut als geheim eingestufter Informationen 1999 dem Verfassungsschutz von einem angeblich „national eingestellten“ Polizisten berichtet hatte, der den Neonazi Enrico K. vor Maßnahmen der Polizei gewarnt haben soll.
Enrico K. war damals Kassenwart des NPD-Kreisverbands Saalfeld/Rudolstadt und im „Thüringer Heimatschutz“ aktiv – in jener Kameradschaftstruppe trieben auch die späteren NSU-Mitglieder ihr Unwesen. Zu mehreren der mutmaßlichen Helfer der Terrorgruppe soll K. Kontakt gehabt haben.
Gut möglich, dass es nur ein Zufall war, dass ausgerechnet Teile der Akten zu V-Mann „Tusche“ im Herbst 2011 im Schredder landeten. Aber auch so hat der Fall schon das Potenzial zum Skandal.
Denn trotz mehrfacher Hinweise des V-Mannes im Jahr 1999, dass der Polizist dem Neonazi Enrico K. angeblich „wichtige Informationen über geplante Polizeiaktionen“ liefere, wurde der Beamte damals nicht behelligt. Im Jahr 2010 durfte er sogar zum Landesamt für Verfassungsschutz wechseln und dort selber V-Mann-Führer werden.
Tipps für Neonazis im Fitness-Studio
Erst nach dem Auffliegen des NSU habe man sich den Fall neu angeschaut, teilte das Thüringer Innenministerium nun dem Untersuchungsausschuss mit. Den damaligen Verdacht auf Geheimnisverrat habe man jedoch nicht bestätigen können; nichtsdestotrotz sei der Mann erst Mal versetzt worden, und zwar in die Polizeidirektion Erfurt. Das soll aber nicht als Schuldeingeständnis gewertet werden, auch eine Denunziation des Beamten durch den V-Mann sei möglich, heißt es.
Genau das sagt der in Verruf geratene Polizist selbst. In einem Schreiben an den Untersuchungsausschuss streitet er die Vorwürfe massiv ab und spricht von einer Verleumdung. Seine Vermutung: Der Neonazi Enrico K. habe sich wegen mehrfacher Polizeikontrollen, Platzverweise und Festnahmen bei ihm rächen und ihn durch falsche Aussagen denunzieren wollen.
Nach Angaben des Thüringer Innenministeriums gibt es aber womöglich einen zweiten Fall, in dem laut einem V-Mann des Militärischen Abschirmdiensts von Ende der 90er ein Polizist zusammen mit Rechtsextremen ins Fitness-Studio gegangen sein und ihnen dort „Tipps“ gegeben haben soll. „Die Recherchen zur Feststellung der Identität dieses Polizeibeamten“, so das Thüringer Innenministerium, „sind noch nicht abgeschlossen“.
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