piwik no script img

Andreas Speit Der rechte RandWenn die Polizei Plakate übermalt

Vergangene Woche war es mal wieder soweit: Po­li­zis­t*in­nen rückten in weißen Schutzanzügen und mit schwarzer Farbe vor dem linken Kulturzentrum Rote Flora im Hamburger Schanzenviertel an, um ein Plakat zu übermalen. Bei der aktuellen Maleraktion ging es nicht um 1 Pimmel und den Hamburger Innensenator oder um eine Liste mit „13 Dingen, die du gegen die AfD tun kannst“, sondern um die Ankündigung einer Kundgebung über die Strukturen von völkischen Siedlern im nord-östlichen Niedersachsen. Eine antifaschistische Initiative hatte auf dem Plakat an der Flora für kommenden Montag vor einer Kanzlei in bester Hamburger Innenstadtlage zu einer Demo samt Infoveranstaltung aufgerufen – und die Polizei übermalte diese Ankündigung kurzerhand.

Der Aufruf der Initiative richtete sich nicht gegen die renommierte Kanzlei, sondern gegen einen dort angestellten Anwalt, der seit Jahren fest in völkischen Siedlungsnetzwerken verankert sein soll. Der Anwalt, den die Kanzlei als „einen der führenden Immobilienanwälte in Deutschland“ auf ihrer Website vorstellt, kommt aus der Lüneburger Heide.

In der Region zwischen Uelzen und Lüneburg haben sich völkische Sippen niedergelassen, die Brauchtumsfeste, Volkstanzrunden, Theater- und Liederabende ausrichten. Sie wollen ihre Weltanschauung von einer vermeintlich ethno-kulturellen Identität und Kultur leben. Diese Treffen sind gleichzeitig so etwas wie Kontaktbörsen für die rechte Szene. Der Anwalt kommt aus einem solchen Familienzusammenschluss, seine Ehefrau ebenfalls.

Foto: Jungsfoto: dpa

Andreas Speitarbeitet als freier Jour­nalist und Autor über die rechte Szene nicht nur in Norddeutschland.

Sein Vater Uwe B., der bei der völkischen Jugendorganisation „Bund heimattreuer Jugend“ aktiv war, betrieb eines der bundesweit größten rechtsextremen Antiquariate. Sein Verlag mit Sitz im niedersächsischen Toppenstedt führt heute einer seiner Söhne. Bis heute können über den Verlag Klassiker der rechtsextremen Publizistik bestellt werden: Das 1923 erstmals erschienene „Das dritte Reich“ von Arthur Möller van den Bruck zum Beispiel, oder „Gottlied des Lebens erklingt auch dir“ von Mathilde Ludendorff, veröffentlicht 1940.

Beide Söhne waren bei der rechtsextremen Organisation „Sturmvogel“ aktiv, das legt eine Sonderausgabe der Sturmvogel-Zeitung Sturmbote nahe. Die Organisation taucht heute in Jahresberichten des Verfassungsschutzes Niedersachsen auf und wurde 1987 von Mitgliedern der später verbotenen „Wiking Jugend“ gegründet. Hier wird der Nachwuchs geschult und ertüchtigt. In einem Gründungsflugblatt steht, dass mit der Jugendarbeit ein „Vorleben“ vermittelt werden soll, das gegen den „Ungeist“ aufbegehrt, „der unserem Volk derzeit jeden Atemzug verpestet“. Als „volkstreu eingestellte Deutsche“ wollen die Mitglieder leben – und gesellschaftliche Veränderung bewirken.

Der Aufruf richtete sich gegen einen Anwalt, der in völkischen Siedlungsnetzwerken verankert sein soll

Auch die Ehefrau des Anwalts war – gerichtsfest belegt – beim Sturmvogel aktiv. Das Landgericht Verden wies ihre Klage gegen eine Recherche der Journalistin Andrea Röpke ab, die auch für die taz schreibt. Bis vor das Bundesgericht, die letzte Instanz in Straf- und Zivilverfahren zog sie. 2024 scheiterte sie dort endgültig mit ihrer Klage.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen