piwik no script img

Andreas Speit Der rechte RandWo rechte Burschenschaftler in Hamburg nach ihrem Umzug weitermachen

Neue Adresse, unveränderte Positionen: In Hamburg musste die Burschenschaft Germania ihr Haus in der Sierichstraße aufgeben. Vom Stadtteil Winterhude zogen sie in den Stadtteil Marien­thal im Bezirk Wandsbek. Eingeleitet hatten den Umzug ehemalige Nachbar:innen, die sich beschwert hatten. Aber auch an der neuen Adresse in der Jüthornstraße formiert sich schon zivilgesellschaftlicher Protest. „Verpisst euch“ und „Fuck Nazis“ steht am Zaum vor dem gelben zweistöckigen Gebäude. In Hamburg gingen bei der Germania über die Jahre verschiedene NPD-Kader, Holocaust-Leugnende, Geschichtsrevisionisten und Indentitäre ein und aus. In den vergangenen Jahren hat das „Hamburger Bündnis gegen Rechts“ (HBgR) immer wieder auf die rechtsextremen Verbindungen und neu-rechten Kontakte der schlagenden Verbindung hingewiesen.

Seit Jahrzehnten konnte die Burschenschaft das Gebäude in der Sierichstraße nutzen. Der Verein „Studentenwohnheim Harry Lange e. V.“, der Träger des Hauses war, scheint auch das neue Objekt zu tragen. Eine Antwort des rot-grünen Senats auf eine Kleine Anfrage der Bürgerschaftsfraktion der Linken legt diese Verbindung nahe.

Den Auszug lösten engagierte An­woh­ne­r:in­nen wegen des Lärms aus. Der lebenslange Männerbund feiert gern burschenschaftliche Events mit viel Bier und auch mit viel lautem Gesang – darunter auch „Heil Hitler“-Rufe. Im Verfassungsschutzbericht 2020 berichtet der Hamburger Verfassungsschutz (VS), dass Nach­ba­r:in­nen und Polizei 2016 „‚Sieg Heil‘-Rufe“ aus dem Haus gehört hätten. Im folgenden Jahr erwirkten An­woh­ne­r:in­nen ein Unterlassungsurteil. Die Alten Herren, ehemalige Studenten der Burschenschaft, die auch die Finanzen für das Haus aufbringen, versuchten ihre jungen Burschen zu zügeln, hatten aber nur mäßigen Erfolg.

Foto: Jungsfoto: dpa

Andreas Speitarbeitet als freier Jour­nalist und Autor über die rechte Szene nicht nur in Norddeutschland.

Keine Überraschung: Auf Instagram wirbt die Germania 2023 immer noch für ihren „Norddeutschen Heimatabend“ mit dem Slogan: „Wer sich erinnern kann, war nicht dabei …“ Ihre Bilderauswahl bei Instagram dokumentiert Trink- und Mensur-Events sowie Kampfsport. Ende 2015 hatten die Aktivitas der Germania die rechtsextreme Identitäre Bewegung eingeladen, sich an Wehrsportübungen zu beteiligen.

Im Rechtsstreit wurde vor Gericht auch ein Verstoß in der Nacht vom 20. auf den 21. April 2018 aufgelistet – Adolf Hitlers Geburtstag. 12.000 Euro Ordnungsgelder kamen für acht Vorfälle zusammen. Die Kosten musste der Altherren-Verband AHV tragen. Hätte der AHV sie nicht beglichen, wäre der Vorsitzende für 48 Tage in Haft gekommen. Der AHV führte vor Gericht an, dass die verlangte Sicherheit von 80.000 Euro für den Fall von weiteren Verstößen die Weiterführung der Burschenschaft gefährden. Der Umzug des „Fels in der Brandung“ gegen „Umerziehung“ und „Zeitgeist – wie sie sich selbst sehen – war die Notlösung.

Der lebenslange Männerbund feiert gern burschenschaftliche Events mit viel Bier und auch mit viel lautem Gesang – darunter auch „Heil Hitler“-Rufe

In der Antwort ist der Senat auffallend zurückhaltend, wenn Nachfragen zu Kontakten erfolgen. Der AfD-Bundestagsabgeordnete Jörg Schneider gehört der Burschenschaft Germania an, wie er gegenüber der taz schon 2018 offen einräumte. 2020 und 2021 wurde bekannt, dass die Alten Herren Jan G. und Marko B. als Regierungsdirektor beziehungsweise höherer Beamter im Bundesverteidigungsministerium (BMV) tätig waren. Der Senat ließ offen, ob die Germanen weiterhin im BMV wirken – aus Schutz der VS-Arbeit des VS und „Gründen des Staatswohls“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen