Andreas Speit Der rechte Rand: Was man im Norden über Gewalt von Reichsbürgern hätte wissen können
Hamburgs Verfassungsschutz zählt nun rund 120 Reichsbürger in der Stadt. Zehn Prozent davon hält das Landesamt für Rechtsextreme. Im November 2016 ging der Verfassungsschutz noch von etwa 50 Reichsbürgern aus. Der schleswig-holsteinische Verfassungsschutz hat seine Zahl auch gerade nach oben korrigiert: Im Mai 2017 war die Abteilung beim Innenministerium von 140 Anhängern und 100 Verdächtigen in Schleswig-Holstein ausgegangen, Mitte November von insgesamt 374 Personen.
Ein Sprecher des Hamburger Verfassungsschutzes nennt Gründe für den Zuwachs: Das Milieu sei aktiver geworden – und die Verfassungsschützer hätten einen tieferen Einblick gewinnen können, sagt er. Der Blick dürfte sich geschärft haben, da nun genauer geschaut wird – seit dem 19. Oktober 2017.
An jenem Mittwochmorgen wollte die Polizei im fränkischen Georgensgmünd den Reichsbürger Wolfgang P. entwaffnen. Er erschoss einen Beamten, verletzte einen weiteren schwer und zwei leicht. Seit diesem Tag werden die Anhänger der Reichsideologie nicht mehr als Spinner abgetan, die Behörden mit mehrseitigen Schriften oder langwierigen Ausführungen behindern, um Bußgelder oder Steuern nicht zahlen zu müssen. Indizien für ihre Militanz gab es allerdings schon früher – auch im Norden.
Bei einer Amtshilfe für den Bezirksschornsteinfeger griff im Juni 2015 eine Reichsbürgerin in Barbis am Harz einen Polizisten mit einem säureartigen Sanitätsreiniger an. Er erlitt schwere Verätzungen an den Augen.
Am 10. Februar 2016 griff ein Reichsbürger in Bad Essen bei Osnabrück einen Gerichtsvollzieher mit einem Baseballschläger an und verletzte ihn an der Schulter.
In Bramsche an der Unterweser versuchte im April 2016 ein Reichsbürger sich der Verhaftung zu entziehen. Er verletzte einen Polizisten mit Pfefferspray. Im selben Monat wollte sich ein Reichsbürger in Rostock einer Kontrolle entziehen, nachdem er zu schnell gefahren war. Er fuhr mit seinem Smart los, obwohl ein Polizist gerade vor dem Fahrzeug stand. Er lud diesen auf und bremste nach etwa 25 Metern wieder stark ab, der mitgerissene Beamte wurde leicht verletzt.
Andreas Speitarbeitet als freier Journalist und Autor über die rechte Szene nicht nur in Norddeutschland
In Aerzen weigerte sich am 28. Dezember 2016 ein Reichsbürger bei einer Fahrzeugkontrolle, einen Ausweis vorzuzeigen. Zwei Polizeibeamte fuhren mit ihm zu seiner Wohnung. Dort kam es zu einem Handgemenge, bei dem er die Beamten verletzte.
Alles, weil der Staat nicht akzeptiert wird.
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