Andreas Rüttenauer Kulturbeutel: Räudiger Radsport-Rapund noch viel Hässlicheres
Alexander Winokurow ist ein Gangster. Das war schon lange klar. Er hat sich das Blut eines anderen spritzen lassen, um bei der Tour de France besser über die vielen Berge zu kommen. Er hat einen Konkurrenten im Peloton dafür bezahlt, dass er ihm beim Frühjahrsklassiker Lüttich–Bastogne–Lüttich als Erster über die Ziellinie gelassen hat. Und als er 2012 bei den Olympischen Spielen in London zum Schrecken Hunderttausender kreuzbraver britischer Radsportfans Olympiasieger wurde, hat sich so mancher gewundert, warum ihm der Kolumbianer Rigoberto Urán kurz vor dem Ziel hat passieren lassen. Später wurde er Teamchef von Astana, einer Art kasachischen Staatsunternehmens auf zwei Rädern, und niemand wunderte sich, dass ein Radler nach dem anderen wegen Dopings aus dem Feld genommen wurde. Ja, Alexander Winokurow ist ein Gangster. Jetzt ist er auch noch Gangster-Rapper.
Zum Saisonauftakt produzierte Team Astana ein Musik-Video mit Radlern als schweren Jungs in den Hauptrollen, die vergoldete Fahrradketten und Ritzel um die Hälse hängen haben. Der kasachische Bushido des Radsports kann zwar nicht rappen, hat auch nicht wirklich was zu sagen, aber die Botschaft ist klar: „It’s Astana Tradition / We are in the first position“. Es ist der wahrscheinlich schlechteste Rap, den je ein Radteam aufgenommen hat. Es ist auch der erste. Das wird zumindest im Video behauptet. Als „First Ever Pro Cycling Rap“ wird das Machwerk angekündigt. Immerhin hat es Street Cycling Credibility. Es gibt wohl niemanden, der bestreiten würde, dass Winokurow ein Gangster ist.
Der Machosport Radfahren schmückt sich ja gerne mit jungen Frauen, die zum Zwecke des Siegerküssens auf dem Podium stehen. Und wenn ein Radler, wie es der dreifache Weltmeister Peter Sagan 2013 bei der Siegerehrung der Flandern-Rundfahrt getan hat, einer der Frauen dabei in den Hintern kneift, dann muss er sich zwar entschuldigen, kann sich andererseits darauf verlassen, dass sein Ansehen im Peloton nicht wirklich sinkt. Sagan ist Kult, nicht obwohl er gemacht hat, was er gemacht hat, sondern gerade deswegen.
Umso erstaunter dürfte das Quickstep-Team gewesen sein, dass die Veranstalter der Vuelta a San Juan, die gerade in Argentinien zu Ende gegangen ist, den belgischen Profi Iljo Keisse von dem Rennen ausgeschlossen hat. Er hatte sich doch bei der Frau, die er sexistisch gedemütigt hatte, entschuldigt. Eine junge Frau hatte sich in einer Trainingspause mit dem Team fotografieren lassen wollen. Dabei hat sich Keisse so hinter sie gestellt, als schöbe er gerade sein Glied in ihren Hintern. Witzig fand er das und auch seine Teamkollegen hatten, das ist auf dem Bild zu sehen, einen Heidenspaß. Die Frau brachte den Fall zur Anzeige.
Als eigentliches Opfer stellte sich aber Keisses Team Qickstep dar, dessen Chef Patrick Lefevere der Frau unterstellt, von dem Übergriff finanziell profitieren zu wollen. Dass die Rundfahrt Keisse aus dem Rennen entfernt hat, wollte er auch nicht verstehen und ließ seine Fahrer die Siegerehrung der Etappe nach dem Ausschluss boykottieren. Der Radsport hat sich wieder von seiner hässlichsten Seite gezeigt. Das wäre doch vielleicht ein Thema für den nächsten Rap von Team Astana.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen