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Letzter Sonntagskrimi 2024Noch einmal Grusel

Amüsant, spannend, absurd und visuell gelungen: Der Polizeiruf „Jenseits des Rechts“. Und endlich ist es keine Frau, die Opfer einer Gewalttat wird.

Kriminalhauptkommissarin Cris Blohm (Johanna Wokalek) und ihr Kollege Dennis Eden (Stephan Zinner) ermitteln in ihrem dritten Fall Foto: PROVOBIS/BR

Die gute Nachricht vorneweg: Das ist mal ein Krimi, in dem keine Frau zum Opfer einer Gewalttat wird. Im „Polizeiruf 110: Jenseits des Rechts“ kommt ein junger Mann ums Leben. Und es ist jammerschade um Lukas Bärwein (Florian Geißelmann), von allen nur Lucky genannt. Ein sexy Typ, und das muss hier explizit erwähnt werden.

Geht es in dem Fall aus München doch vor allem um Sex und das Geld, das man damit relativ leicht verdienen kann, wenn man es will. Kriminalhauptkommissarin Cris Blohm (Johanna Wokalek) und ihr Kollege Dennis Eden (Stephan Zinner) ermitteln in ihrem dritten Fall.

Lucky und seine Freundin Mia Horschalek (Emma Preisendanz) sind frisch verliebt, die Hormone spielen verrückt. Sie lieben sich in einem Wohnwagen, lachen, küssen und kuscheln, wie ein normales Liebespaar eben. Und manchmal lassen sie halt die Kamera mitlaufen; das ist recht freizügig inszeniert. Die beiden vermarkten ihre Amateurpornos auf einer eigenen Homepage, das ist ja heute easy. Der Server steht im nichteuropäischen Ausland, also gepfiffen auf deutsches Recht.

Natürlich gibt es einen Haken: Mia kommt aus gutem Hause, ihr Vater ist ein begüterter Münchner Unternehmer. In seinen Tresoren lagert das Gold der Reichen. Natürlich fürchtet er um seinen guten Ruf, als er von Luckys Tod erfährt. Und seine Tochter und Pornos? Das darf nicht sein! Das Problem lässt sich doch aus der Welt schaffen.

Mias Therapeut spielt auch eine Rolle, eine merkwürdige. Der Mann verhält sich unprofessionell, weil er Grenzen überschreitet und seine Klientin zurechtweist. Die Pornodrehs hätten etwas in ihr ausgelöst, sagt Mia, und gegen die „Dunkelheit“ geholfen – sie könne endlich wieder atmen. Doch der Therapeut spricht ihr die Empfindungen ab.

Und Schnitt: Das hier ist ein „Polizeiruf“ der besonderen Art. Keiner von der Stange. Das liegt an Hauptdarstellerin Johanna Wokalek, der man wirklich gerne zusieht. Aber auch am wunderbaren Drehbuch von Tobias Kniebe, an der Kamera von Hendrik A. Kley und der Regie von Dominik Graf, der mit seinen hinlänglichen Stilmitteln glänzt.

Mal teilt sich der Bildschirm in zwei oder mehr Teile auf, mal zoomt die Kamera sprunghaft an Details heran, dazu kommen schnelle Schnitte und Ortswechsel, akustische Herausforderungen, wenn etwa alle in einem super Tempo durcheinander reden. Und dann gibt es witzige, mitunter absurde Details. Graf treibt es auf die Spitze. Das ist klasse gemacht.

Auch, weil der Plot schöne Haken schlägt. Cris Blohm gerät in eine vertrackte juristische Sackgasse. Das liegt an DNA-Spuren, die zum Täter führen könnten. Doch das weiß nur die Kollegin aus dem Labor, die in einer Zwickmühle steckt: wegen juristischer Fallstricke darf die Erkenntnis nicht verwendet werden (mehr darf man wegen der Spannung nicht verraten).

Doch am Ende wird Cris Blohm eingeweiht. Aber was soll sie tun? Den Täter davon kommen lassen? Nein, nein. Voller Eifer beschließt sie im risikoreichen Alleingang etwas Illegales zu tun und dem Tatverdacht mit allen Mittel – und das ist wörtlich zu nehmen – nachzugehen.

Lange nicht so eine absurde wie amüsante, zugleich spannende und visuelle ansprechende Ermittlung gesehen. Oder, wie es Regisseur Dominik Graf selbst so schön sagt: „Eine Mördersuche, die teilweise als Beinahe-Komödie zu sehen ist, jedoch vor tragischem Hintergrund.“

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