Andreas Baum wird Fraktionschef: Ein schüchterner Pirat
Es ist eine Premiere: Die Piraten küren in Berlin ihren allerersten Fraktionschef. Der 33jährige Andreas Baum setzt sich bei der Wahl gegen fünf Mitbewerber durch.
BERLIN taz | Andreas Baum braucht nicht viele Worte: "Ihr kennt mich alle", sagt er zu seinen Kollegen im Abgeordnetenhaus Berlin. Bis am Dienstag bei den Piraten die Wahl des Vorstands auf der Tagesordnung stand, hatte Baum nur hinter seinem Laptop gesessen und den anderen zugehört.
Dann meldete auch er sich schließlich unter fünf Mitbewerbern für den Posten. Wichtig sei ihm ein gutes Arbeitsklima innerhalb der Fraktion, begründet Baum seine Kandidatur. Dafür möchte er sich als Vorsitzender einsetzen.
Das wars. Keine aufgeblasenen Sätze, keine langatmigen Begründungen. Schlichter kann man seinen Anspruch auf den Chefposten fast nicht vortragen. Im Gegensatz zu Mitbewerber Christopher Lauer, 27 Jahre, ist Baum kein großer Redner. Lauer gibt sogar zu, manchmal als "mediengeiles Arschloch" rüberzukommen.
Baum wirkt in Gesprächen zurückhaltend, fast schüchtern. In der Fraktion genießt er großes Vertrauen: Im zweiten Wahlgang wird Baum an erster Stelle mit neun Stimmen zum Fraktionsvorsitzenden gewählt. Auf seinem Twitteraccount kommentiert er seine erfolgreiche Wahl mit einem einfachen: "Ja danke schön!"
Wieder einmal hat sich bei den Piraten nicht der lauteste oder auffälligste durchgesetzt, sondern eher der junge Mann von nebenan: Bereits im Wahlkampf war der 33-jährige Kasseler, der seit 2003 in Berlin lebt und sich seit fünf Jahren bei den Piraten engagiert, der Spitzenkandidat seiner Partei.
Voll daneben
Große Bekanntheit hatte der gelernte Industrieelektroniker erlangt, als er in seinem ersten TV-Auftritt die Schulden Berlins auf "viele, viele Millionen" schätzte - sie liegen bei über 60 Milliarden Euro.
Bei den Wahlen am 18. September hatte die Partei trotzdem zum ersten Mal den Einzug in einen Landtag geschafft und mit 8,9 Prozent 15 Sitze im Abgeordnetenhaus ergattert.
Gelächter über seine Wissenslücken nimmt Baum gelassen. "Wir sind die mit den Fragen", war auf einigen Wahlplakaten der Piraten zu lesen.
Probleme löst die Partei pragmatisch und kreativ: So hat Baum auf seinem Handy mittlerweile ein Programm, das ihm zu jeder Zeit die Schulden Berlins ausspuckt - auf den Euro genau.
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