Andrea Nahles über SPD-Wahlchance: "Wir waren immer die Frauenpartei"
Andrea Nahles will gerne Bildungsministerin werden und sich dann für kostenfreie Bildung einsetzen. An der SPD führe bei den Wahlen kein Weg vorbei, sagt sie.
taz: Frau Nahles, wie realistisch ist es, dass jemand aus dem Schattenkabinett nach der Wahl MinisterIn wird?
Andrea Nahles: Sehr realistisch. Ich gehe davon aus, dass es keine Mehrheit gegen die SPD gibt und wir die nächste Regierung stellen werden.
Die Umfragen stehen im Moment zwischen 23 und 24 Prozent. Fällt es Ihnen nicht schwer, optimistisch zu bleiben?
Nein. 2002 und 2005 gab es vor den Wahlen auch schlechte Umfragen und am Ende haben wir viel besser abgeschnitten als gedacht. Wir werden deutlich machen, worum es bei dieser Wahl geht. Das wird die Menschen überzeugen, SPD zu wählen.
10 Frauen stehen 8 Männern gegenüber. Ist aus der SPD auf einmal eine Partei der Frauenförderer geworden oder erhoffen Sie sich ein paar weibliche Wählerstimmen?
Die SPD war immer die Frauenpartei. Ich finde es klasse, dass Frank-Walter Steinmeier den Frauen so viel zutraut. Es fiel ihm auch nicht schwer, gute Leute zu finden. Junge Frauen wie Manuela Schwesig, Carola Reimann oder ich haben Zukunftressorts zugesprochen bekommen. Das ermuntert mich und ich hoffe, dass es auch gut bei den Wählern ankommt.
Namen wie Ulrike Merten und Harald Christ hören viele zum ersten Mal. Hatte die SPD nicht mehr zu bieten?
Im Gegenteil, wir haben mehr kompetente Leute, als manche Medien wahrnehmen. Wenn man eine Frau in der Verteidigungspolitik sucht, dann bietet sich die Ausschussvorsitzende Ulrike Merten an. Auch Franz-Josef Jung oder Ursula von der Leyen kannte niemand, bevor sie ins Wahlkampfteam berufen wurden.
Für Sie ist das Bildungs- und Integrationsressort vorgesehen. Was wollen Sie ändern?
Zentral ist es, die Anzahl der Schulabbrecher zu senken. Das sind 80.000 junge Leute jedes Jahr, die kaum Perspektiven haben. Wir brauchen Chancengleichheit bei der Bildung. Ich will zudem gebührenfreie KiTas in ganz Deutschland.
Sie haben als kommende Bundesministerin durch die Kompetenzverteilung nicht viel zu sagen …
Ohne Kooperation läuft es nicht. Deswegen haben wir in den letzten Jahren immer wieder auf Bundesebene Geld in die Hand genommen. Beim Ausbau der Kinderbetreuung brauchen wir auch in Zukunft eine Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern. Die Bürger haben kein Verständnis mehr, dass die Ebenen die Verantwortung aufeinander abwälzen. Wir werden auf der Bundesebene nicht kneifen. Das sieht auch Peer Steinbrück so.
Was wollen Sie schulpolitisch?
Ich will mehr integrierte Schulformen und einen schrittweisen Ausstieg aus der starren Dreigliedrigkeit des Systems. Es sind nur ideologische Restposten der Union und FDP, die darauf bestehen, junge Menschen reinzusortieren in ein System statt die Schulen so zu gestalten, dass alle einen Abschluss schaffen und optimal gefördert werden.
Was denken Sie zu Bolgna-Reform und den Protesten der Studierenden?
Dies ist formal die Zuständigkeit von Carola Reimann. Aber wir sollten uns den Prozess noch einmal kritisch anschauen. Wir haben zu starre Regeln geschaffen und brauchen beim Bachelor eine Flexibilisierung bei der Semesteranzahl. Und wir müssen den Zugang zum Master erweitern.
Wenn es bei der Bundestagswahl nicht reicht, trauen Ihnen viele auch zu, die nächste Parteivorsitzende zu werden. Wie ist es mit Ihnen?
Ach was. Diese Diskussion lenkt nur davon ab, was ich mir vorgenommen habe. Ich möchte gute Bildungs- und Integrationspolitik machen. Das ist die zentrale Frage, gerade in diesem Krisenjahr. Da hänge ich mich jetzt mit voller Kraft rein.
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