Andrang auf Berliner Ausstellung: Die Frida-Kahlo-Schlange

Der Besuch der Ausstellung über die mexikanische Malerin im Gropius-Bau wird für Besucher zur Geduldsprobe. Wartezeit bis zu drei Stunden - der Andrang nimmt kein Ende

Wer diese Bilder sehen will, muss lange warten Bild: dpa

Erschöpft wirken die beiden älteren Damen, ihre Blicke sind müde. Sie verlassen gerade die Frida-Kahlo-Ausstellung im Martin-Gropius-Bau. Die Werke der mexikanischen Malerin seien toll, sagen sie und lächeln ein wenig. Aber sie würden auf keinen Fall die Wartezeit wettmachen. Drei Stunden mussten die beiden über 70-Jährigen anstehen - davon eine Stunde im Freien vor dem Gebäude. "Eigentlich denkt man, dass man in die Ausstellung reinkommt, wenn man den Kartenverkauf hinter sich hat. Aber dann muss man noch mal warten", beklagt sich eine der beiden. Das nehme den Spaß, sich die farbigen und symbolhaften Bilder anzuschauen.

Wie den beiden Frauen geht es vielen Besuchern der Ausstellung. Seit dem 30. April läuft die Frida-Kahlo-Schau und hat nach Angaben des Ausstellungshauses rund 150.000 Besucher angelockt. Es ist die bisher größte Schau im Gropiusbau, die sich auf einen Künstler konzentriere, berichtet Museumsdirektor Gereon Sievernich. Für ihn ist der Andrang eine "Überraschung".

Die seit zwei Monaten im Martin-Gropius-Bau gezeigte Ausstellung über Frida Kahlo haben nach Auskunft der Ausstellungshalle bisher bereits 150.000 Menschen besucht. Mit mehr als 150 Gemälden und Zeichnungen zählt sie den Angaben zufolge zu den größten Werkschauen über die Künstlerin. Besucher müssen fast immer mit langen Wartezeiten von bis zu drei Stunden rechnen.

Mit einer Frida-Kahlo-Nacht feiert der Gropius-Bau heute den vorgeblichen 100. Geburtstag der mexikanischen Ausnahmekünstlerin. Um 18 Uhr wird der Hollywood-Film über das Leben der Malerin mit Salma Hayek in der Hauptrolle gezeigt. Bis 24 Uhr gibt es zudem mexikanische Spezialitäten, Musik und Sonderführungen durch die derzeitige Ausstellung "Frida Kahlo - Retrospektive".

Frida Kahlo war tatsächlich bereits am 6. Juli 1907 in Mexiko als Tochter des deutschen Einwanderers und Fotografen Wilhelm Kahlo geboren worden. Um sich der Mexikanischen Revolution näher zu fühlen, gab sie als Geburtsjahr aber stets das Revolutionsjahr 1910 an. Im Jahr 1954 starb die Künstlerin.

Die Schau dauert noch bis zum 9. August. (ddp)

Da drängt sich der Vergleich mit der legendären MoMA-Ausstellung in der Neuen Nationalgalerie geradezu auf. Von Februar bis September 2004 wurden dort Werke aus dem Museum of Modern Art in New York gezeigt - und die Menschen strömten. Sie standen in der Regel vier bis fünf Stunden an, ab Mitte der Ausstellungszeit zog sich die Schlange einmal um den quadratischen Bau nahe dem Potsdamer Platz. Am Schluss zählten die Veranstalter 1,2 Millionen Besucher.

So viele werden es im Gropius-Bau sicher nicht werden. Bis zum Ende der Ausstellung in fünf Wochen rechnet Museumschef Sievernich mit weiteren 100.000 Besuchern. Die Wartezeiten kämen eben durch den Andrang zustande, sagt er, und dass nur eine bestimmte Anzahl von Menschen in die Ausstellungsräume gelassen werde. Sein Tipp: "Morgens und abends nach 17 Uhr gehts schneller."

Es gibt aber noch andere Möglichkeiten: Online- und so genannte VIP-Tickets. Bei der Onlineversion, zu buchen auf der Seite des Gropius-Baus, können sich Kunstinteressierte in vier Zeitfenster eintragen. Ob sie dann wirklich im geplanten Zeitrahmen reinkommen, steht auf einem anderen Blatt. "Wir waren für das Zeitfenster zwischen 10 und 11 Uhr eingetragen und auch pünktlich um 10 Uhr da", erzählt eine Besucherin, "mussten aber trotzdem bis 11.30 Uhr warten."

Als schnellere Variante gilt das VIP-Ticket à 25 Euro - es ist also mehr als doppelt so teuer wie der reguläre Eintritt und ebenfalls auf der Gropius-Bau-Seite zu buchen. Dafür gibt es einen Extraeingang ohne Wartezeit. Doch passt dieses Zweiklassensystem zu einer Ausstellung einer kommunistischen Künstlerin, die das Jahr der mexikanischen Revolution, 1910, willkürlich zu ihrem Geburtsjahr erklärte?

Erwartungsgemäß gefällt nicht allen Besuchern die Idee mit den VIP-Tickets. "Wenn man schon so lange auf den Einlass warten muss, ist die Motivation, in eine Ausstellung zu gehen, dahin", sagt eine Besucherin in der Schlange. "Und es ist wirklich nicht schön, wenn andere an einem einfach so vorbeiziehen." Hin und wieder soll es schon wütende Proteste gegeben haben.

"Die 25 Euro sind knapp kalkuliert", sagt Sascha Räthel von "Interklassik", das die VIP-Tickets verkauft. Die "Concierge-Firma", wie sich das Unternehmen auf seiner Homepage nennt, bot diese Art des bevorzugte Einlasses schon bei anderen großen Ausstellungen an. In diesen 25 Euro seien die 10 Euro Ticketgebühr, der Audioguide für 4 Euro sowie die Kosten für das Wachpersonal für den Extraeinlass enthalten. Aber auch eine "kleine Gewinnmarge" sei vorhanden. Der VIP-Service sei in erster Linie für Touristen und Hotelgäste gedacht, die sich kurzfristig für einen Museumsbesuch entscheiden würden und Wartezeiten durch höhere Ausgaben umgingen.

Aber wieso ist die Ausstellung überhaupt zu solch einem Publikumsmagneten geworden? Die Kulturwissenschaftlerin Susanne Klengel vom Lateinamerikanischen Institut der Freien Universität Berlin ist "ziemlich verblüfft" über die Schlange. Frida Kahlo sei in den 70er Jahren vor allem im Zuge der internationalen Frauenbewegung entdeckt worden. Vielleicht ist sie aufgrund ihrer Biografie eine Identifikationsfigur geworden, nicht nur für Frauen, vermutet Klengel. Kahlo wurde mit 18 bei einem Unfall lebensgefährlich verletzt, ihr Leiden verarbeitete sie in Bildern. Für Schlagzeilen sorgte sie auch wegen ihrer zweifachen turbulenten Ehe mit dem Maler Diego Rivera und ihrer Affäre mit dem russischen Revolutionär Leo Trotzki. "Leben und Kunst waren bei ihr nicht voneinander zu trennen", so Klengel.

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