Analyse: DGB im Fusionsfieber
■ Die Textilgewerkschaft schlüpft unter das Dach der starkeb Metaller
Schneiderinnen, Weber und Spinner kämpfen ab heute Seit an Seit mit Stahlkochern und Autobauern in der IG Metall. Die Gewerkschaft Textil und Bekleidung (GTB), 1891 als Verband der Textilarbeiter gegründet, wurde gestern beim letzten GTB-Kongreß in Neuss aufgelöst. Zuvor hatten die Delegierten mit großer Mehrheit die Fusion mit der IG Metall beschlossen. Eine lang vorbereitete Entscheidung, die der IG Metall auf einen Schlag etwa 188.000 neue Mitglieder beschert. Vom Branchenzuschnitt her hätte eigentlich eine Fusion mit der IG Chemie näher gelegen. Doch politisch und materiell bot die IG Metall den GTB-Funktionären die bessere Perspektive. In den Gewerkschaften wird seit langem gemunkelt, daß neben der Geschäftsstellendichte der IG Metall wohl deren attraktivere Vergütungsstruktur den Ausschlag gab.
DGB im Fusionsfieber Die Textilgewerkschaft schlüpft unter das Dach der starken Metaller
Ausgelöst wurde das Fusionsfieber innerhalb des DGB durch die finanzielle Not. Der Mitgliederschwund sorgt in vielen Kassen für Ebbe. Den Anfang machte im Jahr 1995 die kleine Gewerkschaft Gartenbau, Land- und Forstwirtschaft, indem sie mit der IG Bau zur IG Bauen-Agrar-Umwelt zusammenging. Gern hätte deren Chef Klaus Wiesehügel auch die Gewerkschaft Holz und Kunststoff (GHK) aufgenommen. Doch auch diesen 160.000 Mitglieder starken Brocken schnappte ihm die 2,6 Millionen Mitglieder starke IG Metall weg. In wenigen Tagen wird beim GHK-Kongreß in Bielefeld ein weiterer Auflösungsbeschluß erwartet. Dann folgt am 11. Oktober der IG-Metall-Kongreß, um die zur endgültigen Fusion notwendigen Satzungsänderungen zu beschließen. Einen neuen Partner nehmen in der nächsten Woche bei ihrem Kongreß in Hannover die schon fusionierten Chemiegewerkschafter (700.000) und Bergarbeiter (340.000) mit ins Boot. Die Mitgift der Ledergewerkschaft fällt mit 20.000 Mitgliedern indes nicht gerade üppig aus. Hubertus Schmoldt, der designierte neue Chef der IG Bergbau-Chemie-Energie, wirbt unterdessen dafür, daß nun auch noch eine neue Dienstleistungsgewerkschaft entsteht. Ginge es nach ihm, dann sollte dazu neben den Gewerkschaften Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr und von Handel, Banken und Versicherungen auch die nicht dem DGB angeschlossene Deutsche Angestellten-Gewerkschaft gehören.
Elf Einzelgewerkschaften bleiben nach der aktuellen Fusionswelle vorerst übrig. Ein Ende ist nicht in Sicht. IG-Metall-Chef Klaus Zwickel sieht am Horizont noch drei Industriegewerkschaften und zwei im öffentlichen beziehungsweise privaten Dienstleistungsbereich. Würde der Düsseldorfer DGB-Apparat für die Großen dann noch Sinn machen? Ja, sagt Zwickels rechte Hand, Klaus Lang. Neben der politischen Interessenvertretung falle dem DGB dann insbesondere die Aufgabe zu, die Vertretungsbereiche der Einzelgewerkschaften verbindlich zu regeln. Ein Ziel, das zwischen den „Brüdern“ umstritten ist. Sollte sich der DGB aber nicht durchsetzen, so Lang, „dann ist er überflüssig“. Walter Jakobs
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