Analyse: Royal Blues
■ Zum Abschluß der verunglückten Indien-Reise der britischen Königin
Königin Elisabeth II. erfeut sich von all ihren offiziellen Funktionen nur noch an einer: der des Oberhauptes des Commonwealth. Hier kann sie Pomp und Prunk frönen, und weil es um traditionelle Symbole und Bande geht und die politischen Inhalte ausgeklammert sind, gibt es kaum Probleme. Und so sollte es auch sein, als die Queen vor zwei Wochen nach Pakistan und Indien aufbrach.
Die erste Etappe war ein voller Erfolg. Doch bei dem unverbindlichen Society-Geplänkel in Pakistan wurde die Lunte gezündet, die den königlichen Staatsbesuch in Indien, Juwel des Commonwealth, zu einem Fiasko werden ließ. Außenminister Robin Cook, von der Presse gefeiert als der souveränste Minister aus Tony Blairs unerfahrener Truppe, bot aus heiterem Himmel an, im seit 50 Jahren schwelenden Kaschmir-Konflikt zu vermitteln. Dabei weiß jeder drittrangige Botschaftssekretär in der Region genau, was die Essenz des Konfliktes ist, der bereits zu drei Kriegen geführt hat: Für die Regierung in Delhi ist die Entscheidung des Maharadschas von Jammu und Kaschmir, 1947 der Indischen Union beizutreten, definitiv; ergo ist der Konflikt mit der muslimischen Mehrheit im Bundesstaat eine interne indische Angelegenheit. Für Pakistan dagegen handelt es sich um eine Region, deren staatsrechtliche Zugehörigkeit noch offen ist, also ein internationales Problem. Eine öffentliche Ankündigung, und das in Pakistan, daß eine internationale Schlichtung bevorstehen könnte, ist für Indien eine Infragestellung seiner territorialen Integrität.
Der Vermittlungsvorschlag kommt ausgerechnet von einer Regierung, deren Vorgängerin die Hauptverantwortung trägt für das Desaster der mißlungenen Teilung der ehemaligen Kronkolonie, die zu unsäglichem Blutvergießen geführt hat. Wie wenig diese Wunden verheilt sind, wurde eindrucksvoll an den verhaltenen Unabhängigkeitsfeiern Indiens und Pakistans im August demonstriert. Daß es auch noch die erste Labour-Regierung (auf die sich Blair gerne bezieht) und Lord Mountbatten (der Lieblingsonkel der Queen) als letzter Vizekönig von Britisch-Indien waren, die die direkte Verantwortlichkeit für die noch immer nicht überwundene Teilung tragen, macht das „Angebot“ Cooks noch abwegiger.
Nach diesem Affront konnte beim Indien-Besuch der Queen nichts mehr gutgehen. Da mochte man nur noch lachen, als der notorisch taktlose Prinz Philip in Amritsar eins draufsetzte und sich hörbar darüber mokierte, daß die Inder auf einem Mahnmal für von britischen Soldaten erschossene Zivilisten nicht nur die 300 Getöteten, sondern auch die 1.700 Verwundeten als „Märtyrer“ bezeichnen.
Zu allem Überfluß hat der Buckingham-Palast verlautbaren lassen, daß die Queen mit dem Rat der Regierung sehr zufrieden war – und das an dem Tag, als die Inder ihr rüderweise ein Sprechverbot in Madras auferlegten. Während die Queen ihre Demütigung wegstecken muß, inszeniert Blair in London ein Eigenlob und nimmt der Monarchin auch noch die letzte Freude an ihrem Job. Andrea Goldberg
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