piwik no script img

AnalyseBrüder im Geiste

■ Warum SPD und CDU sich thematisch immer näher kommen

Es ist kein Zufall, daß die Bündnisgrünen einen Tag nach dem Innovationskongreß der SPD eine klare rot-grüne Perspektive forderten. Doch selbst SPD-Chef Oskar Lafontaine konnte die Befürchtung der Grünen nicht zerstreuen, SPD und CDU glichen sich immer mehr aneinander an.

Lafontaine sei jetzt eben in der SPD „Mainstream“, verteidigte Joachim Schwarzer, Büroleiter des Parteichefs, dessen solide, aber wenig kämpferische Rede beim Innovationskongreß. Was für einen kritischen Zeitgeist als Beleidigung verstanden werden könnte, war positiv gemeint. Die Botschaft lautet: Lafontaine komme seiner Verantwortung als Parteichef nach, den Willen der gesamten Partei zu verkörpern. Er binde linke und rechte Flügel in eine gemeinsame Linie ein und bilde dadurch eine schlagkräftige Truppe für die Bundestagswahl. Nicht, daß der Hoffnungsträger der Linken in der SPD damit seine Überzeugungen dem Wahlziel unterordnete. Wohl aber die Präzision, mit der er seine Positionen vom eher konservativen Mainstream abzugrenzen versucht. Wenn Lafontaine in drei knappen Sätzen unverbindlich den Formelkompromiß von der ökologischen Steuerreform wiederholt, kann sogar der Flügel um Gerhard Schröder zustimmen. Und auch die CDU-Wählerschaft fühlt sich nicht abgeschreckt. Selbst CDU-Fraktionschef Wolfgang Schäuble hat auf dem CDU-Parteitag leidenschaftlicher über Umwelt gesprochen als Lafontaine.

Ein Jahr vor der Bundestagswahl scheint die Profilierung der SPD als Alternative zur CDU gestoppt – bevor sie anfing. Schon im Vorfeld des Innovationskongresses hatte die SPD sich konservativeren Wählern zugewandt. Schröder räumte, von Lafontaine geduldet, mit den Vorbehalten auf, die SPD könnte eine liberalere Innenpolitik als die Union befürworten. Und Lafontaine legte in einem Grundsatzpapier dar, daß er mitnichten eine reine Nachfragepolitik verfolgt, die einzig den Arbeitnehmern zugute kommt.

Nicht, daß es keine gravierenden Unterschiede zwischen SPD und CDU mehr gäbe. Welcher Konservative redete wohl wie Lafontaine von „Apartheid-Ökonomie, die die Reichen noch reicher und die Armen noch ärmer macht“? Die Steuerreformpläne der SPD zielen vorwiegend auf die Entlastung der Arbeitnehmer und Familien ab. Ein staatliches Programm zur Beseitigung der Jugendarbeitslosigkeit sowie die Ausbildungsplatzabgabe sind der Union zuwider. Andererseits gleichen sich Einschätzungen und Rezepte immer mehr an. SPD und CDU rücken mittlerweile die Chancen der Globalisierung in den Vordergrund. Beide setzen – und das ist für die SPD neu – auf mehr Wachstum. Bio- und Gentechnologie sollen vorangebracht werden. Den Mittelstand wollen sie durch einfachere Genehmigungsverfahren, Chancenkapital und Steuererleichterungen für junge High- Tech-Unternehmen sowie durch Entlastung der Bürokratie fördern. Arbeitnehmer sollen am Gewinn und Kapital der Unternehmen beteiligt werden. Fragt sich nur: Wann packen SPD und CDU das alles zusammen an? Markus Franz

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen